Wandern in der Luft – Neue Gyrocopter Flugschule am Flugplatz in Rothenburg Okt25


Wandern in der Luft – Neue Gyrocopter Flugschule am Flugplatz in Rothenburg

Es dauert nur ein paar Sekunden, und dann ist er schon in der Luft. Der Gyrocopter, halb Hubschrauber, halb Flächenflugzeug, ist der smarte Typ in der Fliegerei:
Besonders sicher, wendig und mit grandioser Rundumsicht. Außerdem macht er die Freiheit in der Luft für Hobby­piloten erschwinglich. All dies war auch ausschlaggebend, dass Sandra Bieberstein und Stefan Hirsch vor vier Jahren in einen Gyrocopter gestiegen sind. Heute sind sie die „Aeronauten“ und bilden am
Flugplatz in Schweinsdorf mit ihren beiden Gyrocoptern selbst Piloten aus, bieten Rundflüge und Weiterbildung für fortgeschrittene Piloten an. Mit dem zweiten Unternehmen „Sky
Service 24“ sorgen sie für Wartung und Sicherheit der Tragschrauber.

Zeit für einen Traum
Den Traum vom Fliegen trug Stefan Hirsch schon sein Leben lang mit sich herum. Im Hauptberuf ist er (noch) Softwareentwickler. Die Ultra­leichtfliegerei hatte er schon immer im Blick, aber bis etwa 2012 gab es die Tragschrauber nur in offener Form. „Und ich bin kein Cabriotyp“, merkt er an. Als 2013 geschlossene Gyrocopter auf den deutschen Markt kamen, startet er die fliegerische Ausbildung und Sandra Bieberstein, im Hauptberuf (noch) in der Unternehmenskommunikation tätig, schloss sich an.
Hört man die beiden heute reden, dann wird sofort deutlich, dass die Gyrocopter eine Leidenschaft entzündet haben, die ihr ganzes Leben neu ausgerichtet hat. Noch leben und arbeiten beide in der Nähe von Heilbronn, ihre Zukunft sehen sie aber in Rothenburg. Von Donnerstag bis Sonntag sind sie am Flugplatz in Schweinsdorf, wo seit April ihre Gyrocopter-Flugschule und der Wartungsservice angesiedelt sind.

Gyrocopter sind ihre Leidenschaft: Sandra Bieberstein und Stefan Hirsch.                                   Foto: Reich

Gyrocopter sind ihre Leidenschaft: Sandra Bieberstein und Stefan Hirsch. Foto: Reich

Alles auf eine Karte setzen
„Uns war ziemlich schnell klar, dass wir das richtig machen wollen“, erzählt Sandra Bieberstein. Nach der Ausbildung zum Gyrocopterpiloten und der nötigen Erfahrung haben beide die Ausbildung zum Fluglehrer absolviert. Stefan Hirsch ist zusätzlich Prüfer der Klasse 5 für Ultraleichtgeräte und sein Unternehmen „Sky Service 42“ ist nicht nur zertifizierter Instandhaltungsbetrieb für Tragschrauber der Marken Magni sondern bietet Gyrocopter-Piloten professionelle Betreuung in technischen Belangen an.
Gestartet haben Bieberstein und Hirsch ihr Gyrocopter-Unternehmen im Jahr 2015 am Zivilflugplatz in Niederstetten. Der Bau einer neuen Halle für die beiden Gyrocopter erwies sich aber als schwierig und ein Zufall brachte sie genau in dieser Phase nach Rothenburg.
Hirsch wollte sich über die Ausbildung des Flächenflugscheins informieren. Dabei kamen er und Sandra Bieberstein mit einem Vereinsmitglied vom Aero-Club Rothenburg ins Gespräch. Sie erfuhren, dass eine Halle seit etwa zehn Jahren ungenutzt war. „Wir sind uns einig geworden und haben die Räumlichkeiten langfristig angemietet“, so Bieberstein. Die beiden haben renoviert, ein nostalgisches Aeronauten-Büro und einen modernen Schulungsraum eingerichtet. Seit April 2017 gibt es nun die vom Verband zugelassene und eingetragene Flugschule für Gyrocopter.
In der angeschlossenen Halle stehen die beiden Gyrocopter flugbereit. Bieberstein und Hirsch setzten auf Geräte der Firma Magni, einem italienischen Unternehmen. Das Design ist schick, der Komfort bestens. Die Gyrocopter der neuen Generation haben Stil. Geschlossen, mit Heizung, bequemen Sitzen und beinahe Rundumsicht wird Fliegen zum besonderen Erlebnis. Die Zeiten als der Gyrocopter ein offenes Traggestell war und Piloten mit Motorradcombi und Helm unterwegs waren, gehören der Vergangenheit an.
Die Technik dagegen ist unverändert: Der Rotor mit acht Metern Durchmesser ist sozusagen die Tragfläche des Flugzeugs. Im Gegensatz zum Hubschrauber kann der Gyrocopter nicht aus dem Stand abheben, sondern erst die Beschleunigung des Fluggeräts durch den vertikalen Propeller bringt den nötigen Luftstrom unter den Rotor, damit ein Abheben möglich ist.
Erfahrene Piloten wie Bieberstein, bringen den Gyrocopter ganz sanft in die Luft. Maximal 535 Kilogramm darf das Fluggerät mit Besatzung haben. Leer wiegen die Gyrocopter etwa 290 Kilo. Betankt werden sie mit nor­malem Superbenzin und benötigen 20 Liter pro Stunde. Die Reichweite liegt bei maximal 600 Kilometern. Dabei kommt es dem echten Gyrocopter-Fan nicht auf Schnelligkeit an. „Die Maximalgeschwindigkeit liegt zwar bei 160 km/h“, erklärt Stefan Hirsch, „Aber Reisegeschwindigkeit ist ungefähr 120 km/h.“ Mit dem Gyrocopter fliegen, heißt wandern in der Luft. „Tragschrauber eignen sich hervor­ragend für Sightseeing“, so Sandra
Bieberstein. Erfahrene Piloten können für kurze Zeit in der Luft beinahe anhalten, langsam sinken oder schlanke Kurven drehen. Es ist die fast schwerelose Bewegung im dreidimensionalen Raum die Bieberstein immer wieder begeistert. „Aber dafür braucht es viel Übung“, erklärt sie.

Transparenz auch bei den Kosten
Bei der Pilotenausbildung legen die beiden Fluglehrer daher großen Wert auf Ernsthaftigkeit und eine fundierte Wissensvermittlung. Üblicher Weise beginnt man mit einem Theoriekurs én Block über drei Wochenenden (nächster Start im November). Nach der Prüfung beginnt im Februar die Praxis. Mindestens 30 Flugstunden und 150 Starts/Landungen sind vorgeschrieben. „Dafür muss man aber schon ein absolutes Genie sein“, so Stefan Hirsch.
Ihre Erfahrung zeigt, dass 50 Stunden nötig sind um sicher fliegen zu können. Etwa 10 000 Euro fallen für den Flugschein an. „Alles andere ist Augenwischerei“, sagt Sandra Bieberstein, die auch bei den Kosten auf Transparenz setzt.
Die Gyrocopterszene wächst in Deutschland zunehmend. Immerhin 599 Tragschrauber waren 2016 beim Deutschen Aeroclub gemeldet. Am Flugplatz in Rothenburg bieten Bieberstein und Hirsch alles an, was im Bereich Gyrocopter möglich ist: Neben der Aus-
bildung von Piloten gibt es auch Sicherheitstrainings oder Weiterbildung nach individuellen Zielen. Dazu kommt die Prüfertätigkeit und Verkauf, Reparatur und Wartung von Geräten.
Und einmal jährlich veranstalten die Aeronauten die Magni Days am Flugplatz in Schweinsdorf (wieder geplant im Juni 2018), zu denen zahlreiche Piloten mit ihren Gyrocoptern aus ganz Deutschland kommen.am