Sagenumwobener See Jan14


Sagenumwobener See

Die Engelsquelle: Mancher kennt sie von Festen, andere kennen die Gerüchte

Der Eingang zur Engelsquelle: Ein Gewölbekeller füllt sich seit Jahrzehnten mit Quellwasser.

Der Eingang zur Engelsquelle: Ein Gewölbekeller füllt sich seit Jahrzehnten mit Quellwasser. Fotos: Seybold

Ein unterirdischer See, da kann man mit dem Boot fahren, geheime Gänge führen bis zum Rathaus und es könnte sogar Heilwasser sein – so manche Sage rankt sich um einen zugegebenermaßen außergewöhnlichen Ort in Rothenburg.

Im Alten Stadtgraben steht ein ganz unscheinbares, normales Haus mit mehreren Wohnungen. Darunter befindet sich Wasser. Jede Menge Wasser, das immer wieder aufs Neue hervorquillt: die Engelsquelle.

Einer, der am besten darüber Bescheid weiß, ist Wilhelm Seybold. „Das Haus und die Quelle waren meine erste eigene Baustelle“, sagt der Bauunternehmer, „Da hängt mein Herz noch heute dran.“ Im Jahr 1970, Wilhelm Seybold war damals gerade mit der Technikerschule fertig, trug ihm sein Vater Willy Seybold den Wiederaufbau des Hauses im Alten Stadtgraben auf. Das einstige Gasthaus „Zum goldenen Engel“ war beim Bombenangriff 1945 bis auf die Grundmauern abgebrannt.

„Alle wussten, dass darunter Wasser ist und keiner hat sich so recht herangetraut“, erläutert Seybold. Vom Haus standen nur ein paar Mauerbruchstücke, der Zugang zum Gewölbe war grob gesichert. Aus Erzählungen von seinem Vater weiß Seybold, dass Jugendliche in den 40er Jahren dort das Bootfahren geübt haben sollen. „Mit Unterstützung der Feuerwehr haben wir in den 70er Jahren dann das Gewölbe ausgepumpt“, sagt Seybold. Und schon ist das erste Gerücht aufgeklärt: Das Wasser ist kein unterirdischer See, sondern ein etwa 80 Zentimeter hoch mit Wasser vollgelaufener Keller.

Ein Keller voller Wasser: Die Engelsquelle ist in Rothenburg eine kleine Berühmtheit.

Ein Keller voller Wasser: Die Engelsquelle ist in Rothenburg eine kleine Berühmtheit.

Salz im Quellwasser?
Der Gewölbekeller wurde von der darüber liegenden Gastwirtschaft und der mit ihr verbundenen Brauerei genutzt. In dem Gewölbekeller befinden sich zwei Brunnen, die 1927 für Aufsehen gesorgt haben. Michael Schneider, bis 1933 der Besitzer des Gasthauses, will sich beim Öffnen eines Weinfasses am Finger verletzt haben. Er hat das Blut im Kellerbrunnen-Schacht abgewaschen und als er an der brennenden Wunde leckte, entdeckte er einen salzigen Geschmack (aus Walter Carlé, Die Solequelle im „Goldenen Engel“ zu Rothenburg. Von Menschenhand verursacht?, in: Geologische Blätter von Nordbayern 10 [1960], S. 45). Er hatte die Idee, das Solewasser als Tafelwasser auf den Markt bringen.

Das hat nicht nur Zweifler aufmerksam gemacht, sondern auch zu einer 19-seitigen Untersuchung von Mattheus Schuster geführt (in: Abhandlungen der Geologischen Landesuntersuchung des Bayerischen Oberamtes, Heft 3, 1931). Die Sole mit einem Gehalt bis zu 50 g Kochsalz pro Liter wurde chemisch und geologisch analysiert. „Trotz der merkwürdigen und einzigartigen Umstände“ kam der Autor zum Schluss, es sei eine natürliche Quelle. Der Tafelwasserbetrieb des Gastwirts Schneider lief jedoch nicht und letztendlich wurde der „Goldene Engel“ zwangsversteigert. Ab 1933 gehörte der Gasthof der Familie Utz. 1934 ließ diese die Brunnen leer pumpen, aber niemand stieß noch auf Salzwasser. Vorbei war es mit der Mär vom Heilwasser aus der Engelsquelle.

Keine Geheimgänge
Im Zuge der Untersuchungen des Kellers im Jahr 1930 hat Mattheus Schuster genaue Skizzen angefertigt: Zwei Brunnen befanden sich in dem Gewölbe mit dem Hauptgang und einem Nebenstollen. Der im Stollen gelegene Brunnen wurde durch die Kriegseinwirkung zerstört. Wie stark die Brunnen in früherer Zeit überliefen, ist nicht dokumentiert. Einzig Walter Carlé schreibt, dass „in beiden Brunnen das Wasser bis zum oberen Rand steht, ja der Kellerbrunnen lief zuzeiten über“ (S. 35). Als sich Wilhelm Seybold in den 70er Jahren an den Wiederaufbau machte und den vollgelaufenen Keller auspumpen ließ, untersuchte auch er das Gewölbe. „Damals kursierten Gerüchte, es gäbe Geheimgänge bis zum Rathaus“, sagt er. Nichts davon ist wahr.

An die Feiern im Partykeller, der direkt an die Quelle anschließt, hat wahrscheinlich nicht nur Wilhelm Seybold gute und besondere Erinnerungen. In seinem Familienalbum bewahrt er viele Schnappschüsse auf. Dazu gibt es ein prall gefülltes Gästebuch mit Einträgen – sogar von einer japanischen Delegation.

An die Feiern im Partykeller, der direkt an die Quelle anschließt, hat wahrscheinlich nicht nur Wilhelm Seybold gute und besondere Erinnerungen. In seinem Familienalbum bewahrt er viele Schnappschüsse auf. Dazu gibt es ein prall gefülltes Gästebuch mit Einträgen – sogar von einer japanischen Delegation.

Das große Gewölbe endet hinter dem Brunnen, der Stollen führt bis unter das Nachbarhaus. „Wir sind auf einen schimmligen Holzboden gestoßen“, so Seybold. Das war der Küchenfußboden der Nachbarin, „Wir haben das dann betoniert und sicher gemacht“, erinnert sich der Bauunternehmer. Wilhelm Seybold hat an dem Kuriosum des wassergefüllten Gewölbes Gefallen gefunden und nicht nur das Haus wieder aufgebaut, sondern die Engelsquelle um einen Partykeller erweitert. Im angrenzenden Kellerraum hat er so manche illustre Gesellschaft bewirtet. Ein prall gefülltes Gästebuch zeugt von amüsanten Festen.

Vom Partyraum führt eine mit einer Kette gesicherte Treppe direkt in die Quelle. Aufwendig vom Kunstmaler Karl Schneider gestaltet, hat der Zugang etwas majestätisches. „Abgebrochene Steine aus dem Jakobsschulhaus haben wir als Teile für das Balustradengeländer wieder verwendet“, erinnert sich Wilhelm Seybold. Die Wassertiefe betrug damals etwa 80 Zentimeter. Zwei offizielle Messungen ergaben im Mai 1929 eine Temperatur von 10°C und im Februar 1930 von 8,5 °C. Wilhelm Seybold erinnert sich an die Silvesterfeier 1989/90: „Nachts um 12 Uhr haben wir in der Engelsquelle gebadet.“ Ende der 80er Jahre verkaufte das Bauunternehmen Seybold das Haus. Der Partyraum und die Engelsquelle gehören seitdem dem Eigentümer der Erdgeschosswohnung. Laut Auskunft des aktuellen Besitzers steht noch immer Wasser im Gewölbe. Öffentlich zugänglich ist die Quelle nicht. am