Ruhe finden Jan14


Ruhe finden

Auf dem Glaubensweg in die Vergangenheit

In den ersten Monaten des Jahres ruht die Landschaft – aber auch der Mensch soll in der Stille der Wintermonate neue Kraft für das kommende Jahr schöpfen.

In einer Zeit, in der geliebte Kulturveranstaltungen, Konzerte, Wellness oder gar Skiurlaube schlichtweg ausfallen, bedeutet das für viele eine ungewohnte Umstellung in ihrer Freizeitgestaltung. Das beste, was man tun kann, ist einmal in seiner eigenen Umgebung auf Entdeckungsreise zu gehen. Gerade im Umland von Rothenburg können auch Einheimische völlig überrascht feststellen, welch historische Vielfalt die eigene Heimat zu bieten hat.

Eine etwas ausgefallene Idee kam während der Flurbereinigung von 1979 bis 1996 im Raum der Rothenburger Landwehr (18 Dörfer, die die Stadt Rothenburg zu Bauernkriegszeiten verteidigte) auf. Statt der herkömmlichen Grenzsteinlegung wurden die normalerweise wie ein Findling anmutenden Marksteine, die im Rahmen der Umstrukturierung das Land neu einteilen sollten, etwas kreativer gestaltet.

Die Station I „Geschaffen“ liegt auf dem Flurweg zwischen Reichardsroth und Gailshofen. Foto: ul

Die Station I „Geschaffen“ liegt auf dem Flurweg zwischen Reichardsroth und Gailshofen. Foto: ul


Es entstanden vier Skulpturen aus fränkischem Muschelkalk durch die Hände des Bildhauers Ottmar Kleindienst aus Ochsenfurt. Die heute noch bis zu drei Meter hoch gen Himmel ragenden Monumente verbinden sich zu dem sogenannten Glaubensweg: Die Station I „Geschaffen“ (Mensch und die Schöpfung), Station II „Leiden“ (das Leiden Jesu), Station III „Erlösung“ (der Tod Jesu am Kreuz) und die Station IV „Versöhnung“ sollen den Menschen dem Glauben und Gott-Vater näher bringen.

Der Weg verbindet seither die drei Kommunen Adelshofen, Ohrenbach und Uffenheim sowie vier Kirchengemeinden. Der über 16,5 Kilometer lange Pilgerpfad führt von Reichardsroth, Gailshofen, Ohrenbach, Oberscheckenbach nach Groß- und Kleinharbach. Der Weg lädt dazu ein, sich bewusst zu Fuß oder mit dem Rad auf den Weg zu machen, um die schöne Landschaft mit ihren historischen Hintergründen zu genießen oder über die vier Glaubensstationen noch einmal in die Stille zu gehen und darüber zu meditieren. Der Glaubensweg brachte über zehn Jahre lang nach der Eröffnung im Jahr 1996 ganze Busgruppen mit Reisenden und Senioren in die wunderschöne historische Gegend des einstigen Wehrgebietes.

Der erste Stein mit dem Titel „Geschaffen“ (Bild) steht auf dem Grund mit dem Flurnamen „Armen-Ruh“. Todeskandidaten, die einst im Burggefängnis von Endsee eingesperrt waren, wurden auf dem Weg zum Galgen nach Reichardsroth geführt und „beschrieen“. So wurde der Grund ihrer Hinrichtung bekannt gemacht. Am „Armen-Ruh“ Acker durften sie ein letztes Mal ausruhen, bevor sie im Galgenholz bei Reichardsroth aufgehängt wurden. In den Flurnamen „Arme-Ruh“ oder Galgenäcker lebt noch heute die Erinnerung an die Tagung des Zentgerichts in Reichardsroth (älter als Rothenburg) bis ins Jahr 1525. Das letzte Bluturteil wurde 1400 in Reichardsroth gefällt und vollzogen. Von da an war das Landgericht Rothenburg für Kapitalverbrechen zuständig.

Es gibt noch viel mehr auf den Spuren des Glaubens und der Geschichte zu entdecken, was hier nur bruchstückhaft beschrieben werden kann. Allerdings sollte der Wanderer wissen, dass drei der hölzernen Wegweiser mit dem Taubensymbol (siehe Bild) verblasst sind oder gar fehlen: Auf dem Weg von Oberscheckenbach nach Großharbach findet man das verwitterte Schild innerhalb des Ortes links an einem Gartenzaun. Es verweist auf einen Feldweg der zur dritten Station führt. Markant an dieser Weggabelung ist ein großes blaues Wohnhaus, das die Wege trennt.

Die kleine Taube auf dem Holzschild weist dem Wanderer den Weg.

Die kleine Taube auf dem Holzschild weist dem Wanderer den Weg.


Nach einem Päuschen an der mit einer herrlichen Aussicht positionierten Station III (weitere Bilder finden Sie im Rotour-Magazin) führt der Feldweg weiter auf einen Kreuzung zu (Schild fehlt). Hier sollte man sich links in Richtung Kleinharbach halten. Aus dem kleinen Ort heraus, führt der Pfad weiter auf einem geteerten Feldweg. Der Wanderer nimmt den zweiten Pfad nach links, um auf der richtigen Spur zu bleiben (Wegweiser fehlt).

Der lange Weg macht hungrig und durstig. Ist die Coronazeit einmal überwunden, laden die Gasthäuser „Zur frohen Einkehr“ in Reichardsroth, das „Rote Ross“ in Ohrenbach und das „Glockenhäusle“ in Kleinharbach (Öffnungszeiten je nach Coronasituation) zum Pausieren ein. Bis dahin muss der Rucksack als portable Speisekammer mit Gelegenheit zu einem Picknick in der Natur die Einkehr ersetzen.

Nicht nur der Glaubensweg, sondern auch der Naturlehrpfad in Reichardsroth, der Liederwanderweg (ab Ohrenbach) und der Geschichtsweg (ab Reichardsroth), lassen tiefer in die Historie der Gegend blicken. „Ich hatte schon immer auf dem Herzen, dass sich die Kirche auf ihre ureigenen Stärken besinnen möge“, so Robert Karr, ehemaliger Bürgermeister von Ohrenbach und damaliges Mitglied der Landessynode. ul

Die Kirchenportale auf dem Glaubensweg sind für Wanderer von April bis Oktober ganztägig geöffnet. Mehr zum „Glaubensweg“ findet man hier.