Relikt aus dem Kalten Krieg Mai01


Relikt aus dem Kalten Krieg

Der Atomschutzraum in der Polizeiinspektion Rothenburg

Neben Gewahrsamszellen, Fitness- und Lagerräumen gibt es im Kellergeschoss der Polizeiinspektion in Rothenburg noch einen ganz besonderen Raum: Einen Schutzraum, der mitten im Kalten Krieg geplant wurde. Als 1991 die Polizei in das Gebäude einzog, war er eigentlich überholt. Dennoch ist er da und mittlerweile ein durchaus beeindruckender Zeitzeuge.

Dienststellenleiter Stefan Schuster im Schutzraum. Zu allen Seiten sichern knapp einen halben Meter dicke Betonwände den Raum gegen die Außenwelt ab. Fotos: am

Dienststellenleiter Stefan Schuster im Schutzraum. Zu allen Seiten sichern knapp einen halben Meter dicke Betonwände den Raum gegen die Außenwelt ab. Fotos: am

Eine Schleuse mit zwei schweren, luftdicht schließenden Eisentüren ist der Eingang. Dazwischen geht es über einen Holzrost. Dienststellenleiter Stefan Schuster legt erst den Hebel an der einen Türe, dann den an der anderen um. Die Außenwelt ist nun abgeschnitten.

Die Konflikte der 80er
Ein durchaus beklemmendes Gefühl schleicht sich ein. Der Kopf weiß, im Jahr 2021 ist kein atomarer Angriff mehr zu befürchten, aber mit welchen Gedanken hätten sich die Menschen wohl im Ernstfall in diesem Bunker verschanzt?

Die Planungsphase für Gebäude und Anlage in der Ansbacher Straße begann im Dezember 1984, zum Ende des Kalten Kriegs. Das Gebäude ist Eigentum des Freistaats Bayern und wurde vom Landbauamt Ansbach (heute Staatliches Bauamt Ansbach) eigens für die Nutzung als Polizeiinspektion geplant. In den 80er Jahren war mit Blick auf die politischen Gegebenheiten der Bau eines Schutzraums durchaus normaler Standard.

„Am 22. März 1989 war der Spatenstich und am 5. Juli 1991 ist die Polizei hier eingezogen“, hat Stefan Schuster recherchiert. Der Bau der neuen Polizeiinspektion hat rund sieben Millionen Mark gekostet (laut Bericht im Fränkischen Anzeiger am 6./7. Juli 1991).

Platz für 50 Menschen
Erster Polizeihauptkommissar Stefan Schuster breitet auf einem Tisch im Schutzraum die Originalpläne aus. Darin eingezeichnet sind zwei Toiletten mit eine Art Duschvorhang. „Das waren laut Plan die einzigen sanitären Einrichtungen in dem Raum“, sagt Schuster. Er erinnert sich noch an zwei Campingtoiletten, die einst hier standen. Mittlerweile sind diese längst entsorgt, aber wären sie je zum Einsatz gekommen, hätten sich 50 Menschen die zwei Toiletten teilen müssen.

Der Schutzraum hat eine Größe von knapp 55 m² und war für 50 Personen ausgelegt. Also gut ein Quadratmeter pro Person. Wahrscheinlich wären noch Stockbetten eingebaut worden, aber dazu kam es nie.

Der Schutzraum war für die Verantwortungsträger der Stadt und der Polizei gedacht. Diese sollten hier die ersten Tage nach einem atomaren Angriff oder bei Gefahr durch biologische und chemische Kampfstoffe überbrücken. Danach sollten sie wieder für das Funktionieren der Gesellschaft sorgen.

Der gesamte Schutzraum hat eine Hülle (alle Wände, Decke und Boden) von etwa 40 Zentimeter dickem Beton. Er ist eine abgeschlossene Welt, in die nichts eindringt. Kernstück der Anlage ist das „kombinierte Normal- und Schutzlüftungsgerät“, das wie ein Quader eine Ecke des Raums einnimmt. Die Lüftungsrohre glänzen noch wie neu und die Betriebsanleitung ist noch immer ordentlich angebracht.

Die Schleuse: Der Eingang des Schutzraums ist wie alle markanten Elemente mit einem Streifen aus fluoreszierender Farbe gekennzeichnet. Und die funktioniert auch nach 30 Jahren noch: Im Fall eines Stromausfalls können sich die Menschen daran orientieren.

Die Schleuse: Der Eingang des Schutzraums ist wie alle markanten Elemente mit einem Streifen aus fluoreszierender Farbe gekennzeichnet. Und die funktioniert auch nach 30 Jahren noch: Im Fall eines Stromausfalls können sich die Menschen daran orientieren.

Darauf stehen Anweisungen zur Nutzung der Anlage: Bei Auftreten eines Krisen-, Spannungs- oder Verteidigungsfalls mussten die Trinkwasserbehälter gefüllt werden, Lebensmittel eingebracht und die Aborte aufgestellt werden. Dann die Schleusentüren und -klappen schließen. Es gibt auch Anweisungen zum Schutzluftbetrieb: Unter anderem sollen bei Stromausfall jeweils zwei Personen die Anlage mit einer Handkurbel in Betrieb halten. Alle zehn Minuten war ein Wechsel vorgesehen. Bei einer Belegung des Schutzraums mit 50 Personen wäre jeder ungefähr alle acht Stunden zum Einsatz gekommen.

Vor der Lüftungsanlage stapeln sich neben Regalen, die die Polizei hier lagert, zentnerschwere Betonsteine. Diese hätten noch in die Anlage eingefüllt werden müssen – ebenso wie der Quarzsand. Das ist nicht geschehen und daher stapeln sich im Schutzraum auch zahlreiche Säcke mit Quarzsand der Körnung 0,8 mm.

Ein Anruf aus dem Atombunker
Für den Fall der Zerstörung des Eingangs hat der Schutzraum einen Notausgang, der durch einen Tunnel ins Freie führt. Und falls der Raum benutzt wird, die Luft aber noch nicht kontaminiert ist, gibt es eine Art „Frischluftfenster“. Eine schwere Stahltüre (Fertigungsdatum 1989) kann zur Luftzufuhr geöffnet werden. Dahinter befindet sich ebenfalls ein aus Steinen und Sand bestehendes Lüftungssystem.

Die einzige Verbindung des Schutzraums nach außen war über ein Telefon vorgesehen. Ein fast historisch anmutendes, graues Modell mit Wählscheibe hängt an der Wand. Die Frage ist nur, wer wäre im Fall eines atomaren Angriffs der Empfänger eines Anrufs gewesen?

„Für den polizeilichen Dienst spielt der Schutzraum heute keine Rolle mehr“, stellt Stefan Schuster fest. Die Polizeiinspektion nutzt den Raum mittlerweile als Lagerraum für selten benutztes polizeiliches Einsatzmaterial. am