Praktische Hilfe Okt01


Praktische Hilfe

Hartmut Ehrmann (links) und seine Frau Claudia haben das erste Auto an Hugo Heinzen aus Ahrweiler übergeben. Foto: am

Hartmut Ehrmann (links) und seine Frau Claudia haben das erste Auto an Hugo Heinzen aus Ahrweiler übergeben. Foto: am

Hartmut Ehrmann macht ehrenamtlich zwei Autos für Flutopfer fit

„Es ist das erste Mal, dass ich so eine Aktion gestartet habe“, erzählt Hartmut Ehrmann, „Der Zuspruch ist nicht mit Geld aufzuwiegen“. Ehrmann, KFZ-Meister und Inhaber des Autoservice in Obereichenrot bei Schrozberg, hat eine besondere Spendenaktion ins Leben gerufen: Er richtet Autos für die Betroffenen der Flutkatastrophe vom Juli her. Hugo Heinzen aus Ahrweiler hat als Erster sein Auto in Hohenlohe abgeholt.

„Wir haben hier keinen Grund zum Jammern“, stellt Ehrmann fest. Daher hat er sich überlegt, wie er den Flutopfern helfen kann. Gerade nach der verordneten Coronadistanz war es ihm wichtig, wieder gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zeigen. Warum aber Geld sammeln, wenn wir praktische Hilfe leisten können, war sein Credo. Von insgesamt 100 freien Autowerkstätten in seinem Verbund konnte er 20 Kollegen aktivieren. Insgesamt haben sie 70 Autos für Betroffene der Flut wieder in Schuss gebracht.

Bereitwillige Unterstützung
In der Hohenloher Autowerkstatt haben sich zwei Fahrzeuge als passend erwiesen: Ein VW Passat, den ein Kunde dem Unternehmer für kleines Geld überlassen hat, und ein Toyota Corolla, der vom Rotabene Medienhaus ebenfalls für einen kleinen Obolus der Aktion zugeführt wurde. Hartmut Ehrmann, der fünf Gesellen beschäftigt, hat neben Geld auch die Arbeitszeit investiert und seine Kontakte spielen lassen. „Die Unterstützung war unglaublich“, sagt er. Über Facebook hat er auf die Aktion aufmerksam gemacht. Privatleute spendeten, Reifen- und Teilehändler aus der Region unterstützen ihn ebenso wie Verkaufshäuser großer Kfz-Teilehändler. „Etwa 2 000 Euro hätte man in jedes Auto investieren müssen“, so Ehrmann. Die mit frischem TÜV versehenen Autos sollen schließlich solide laufen.

Wer bekommt eines der Autos?
Über Presse und Rundfunk wurde in der Region Ahrweiler auf die Spendenaktion aufmerksam gemacht. Ersthelfer, oder wie bei Hugo Heinzen die Apothekerin, haben die Namen gemeldet. Claudia Ehrmann hat die Liste dann abtelefoniert und nach den passenden neuen Autobesitzern gesucht. „Man konnte die Freude über die Hilfe richtig spüren“, sagt sie.

Als Hugo Heinzen seinen Passat abgeholt hat, war sowohl Freude als auch noch der Schock des Erlebten zu spüren. Es ist nicht nur sein Auto, das komplett kaputt ist. Seine Wohnung ist unbewohnbar, seine berufliche Existenz, ein Musikladen, zu 90 Prozent zerstört und die Unglaublichkeit des Erlebten noch immer präsent.

„Wir wussten, dass etwas kommt“, erinnert er sich. Bei der letzten Flut 2016 ging das Wasser bis zur Straße und Heinzen rechnete mit etwa 30 cm mehr. „Ich habe noch Sandsäcke vor die Kellerfenster gelegt“, erzählt er. Eine Katastrophenmeldung erreichte die Anwohner nicht. Hugo Heinzen und seine Frau leben direkt an der Ahr. Er stand am Abend draußen und beobachtete das Geschehen. Auf seinem Handy zeigt er Videos, die er in wenigen Minuten Abstand gemacht hat. Innerhalb von fünf Minuten stieg das Wasser um 1,5 m.

„Wir haben dann auf die Schnelle die Tasche mit Portemonnaie und Handy, die Katze und das Kleid meiner Frau für die geplante Hochzeit unseres Sohnes geholt, und sind hoch zu den Nachbarn“, erzählt er. Telefon und Strom gingen nicht mehr, die Menschen saßen im Dunklen. Angehörige waren nicht mehr zu erreichen.

Das ist bzw. war das Auto von Hugo Heinzen. Er hatte es noch umgeparkt, aber niemand hätte damit gerechnet, dass das Wasser soweit in den Ort hineinreicht. Foto: Heinzen

Das ist bzw. war das Auto von Hugo Heinzen. Er hatte es noch umgeparkt, aber niemand hätte damit gerechnet, dass das Wasser soweit in den Ort hineinreicht. Foto: Heinzen

„Das schlimmste waren die Geräusche“, erinnert sich Heinzen. Außen am Haus stand das Wasser etwa 3,50 m hoch, in der Wohnung selbst waren es 2 m. Die Möbel knallten an die Decke, Fenster zerbarsten. „Bis etwa 3 Uhr nachts stieg das Wasser“, so Heinzen. Erst am nächsten Tag um 11 Uhr konnte er wieder vor die Türe. „Ich dachte, da wäre noch eine Pfütze, aber als ich hineinstieg, stand ich hüfthoch in einem Loch“, sagt er. Sein Musikladen in Bad Neuenahr, der dieses Jahr 40-jähriges Jubiläum gehabt hätte, ist ebenfalls zerstört.

Gesammelte Übergabe der Autos
Nach einem Tag Orientierung starteten schon die Aufräumarbeiten. Der Zusammenhalt sei einzigartig, schildert Heinzen. Nach einigen Stationen wohnt die Familie nun in einer WG mit einer 85-jährigen Nachbarin. Hugo Heinzen will in einer Garage eine Anlaufstelle für praktische Hilfeleistung etablieren und seinen Musikladen wieder aufbauen. Das neue Auto wird dabei einen vielfältigen Nutzen haben.

Mitte September ist Hartmut Ehrmann mit seinen Kollegen selbst nach Ahrweiler gefahren, um die restlichen Autos zu übergeben. Darunter war auch der Toyota Corolla, der an Tina Euskirchen aus Odendorf (nahe der Steinbachtalsperre) geht, die alles verloren hat. „Man kann sich das nicht vorstellen, wenn man nicht dort war“, so Ehrmann. Die Menschen vor Ort suchen den Kontakt, wollen den Helfenden ihre Situation nahe bringen. Für Hartmut Ehrmann war es besonders zu sehen, dass die Hilfe auch angekommen ist. am