Perfektion Jan26


Perfektion

Die Strahlkraft der Judengasse 10

Das Haus in der Judengasse 10 in Rothenburg ist nicht nur einzigartig, es ist auch das erste Referenzobjekt des „Kulturerbe Bayern“. „Unser absolutes Aushängeschild“, sagt Dr. Andreas Hänel als Vertreter des Stiftungsvorstands, „Da soll alles perfekt werden.“

Eine Mikwe, ein jüdisches Ritualbad, und eine Bohlenstube, die nach neuen Erkenntnissen aus der Erbauungszeit stammt, waren unter anderem ausschlaggebend, dass sich das „Kulturerbe Bayern“ unter einer Auswahl von 30 Objekten dem Rothenburger Haus angenommen hat.

„Kulturerbe Bayern“ ist ein 2015 gegründeter Verein und eine 2018 ins Leben gerufene Stiftung, die es sich gemeinsam zum Ziel gemacht haben, geschichtsträchtige und bedrohte Gebäude für die Nachwelt zu erhalten. Und zwar nicht als sterile Museen, sondern mit einer lebendigen Mischnutzung. Die Judengasse 10 wird daher voraussichtlich im Sommer 2022 ihren seit vielen Jahrzehnten andauernden Märchenschlaf beenden und Lebensraum, öffentliche Begegnungsstätte und Vereinssitz sein. Mit der dann zugänglichen Mikwe prägt das Haus auch die Erinnerungskultur.

Das Gebäude wurde 1409 erbaut. Damals wohnten Christen und Juden in diesem Teil der Stadt nebeneinander. In den letzten Jahrzehnten verfiel das Haus zusehends. Der Verein Alt Rothenburg konnte es vor einigen Jahren kaufen und die Substanz vorübergehend sichern. Eine kostspielige Restaurierung wäre aber unmöglich gewesen.

Von rechts: Dr. Andreas Hänel, zweiter stellvertretender Vorsitzender des Stiftungs­vorstands „Kulturerbe Bayern“ und Pressereferentin Judith Schlumberger-Steger haben mit Andreas Konopatzki, dem koordinierenden Architekten und Tragwerksplaner vor Ort, die Baustelle besucht. Foto: am

Von rechts: Dr. Andreas Hänel, zweiter stellvertretender Vorsitzender des Stiftungs­vorstands „Kulturerbe Bayern“ und Pressereferentin Judith Schlumberger-Steger haben mit Andreas Konopatzki, dem koordinierenden Architekten und Tragwerksplaner vor Ort, die Baustelle besucht. Foto: am

Die Stiftung „Kulturerbe Bayern“ kam daher als der ersehnte Retter genau zur richtigen Zeit. Für 75 000 Euro wechselte das Haus den Besitzer und wird seit Sommer 2020 für voraussichtlich 1,5 Millionen Euro restauriert.

Einheimische und Passanten verfolgen den Prozess mit Neugier, denn in den ersten Monaten hatte das Haus etwas von Christos Verhüllungskunstwerken. Zuerst ragten massige Rohre aus dem Haus. Mit Heißluft wurde den Schädlingen zu Leibe gerückt. „Die Kerntemperatur im Holz musste 58 °C erreichen“, erklärt Architekt Andreas Konopatzki. Nach der Saunabehandlung kam die Verhüllung, denn das Dach wurde saniert. Rund 5 000 Ziegel, zwischen 300 und 600 Jahre alt, wurde abgedeckt und der Dachstuhl aus der Erbauungszeit (der auch über das angrenzende Haus reicht) fachmännisch restauriert.

Traditionelles Handwerk mit echter Handarbeit kam zum Einsatz. Bei den konstruktiven Maßnahmen zur Erhaltung des historischen Tragwerks mit 611 Jahre alten Balken wurde nur dort ergänzt, wo es notwendig war. Im Laufe des Frühjahrs sollen die Dacharbeiten fertig sein und es geht an Fassade, Innenausbau und Fundamente.

„Wir arbeiten stets in enger Absprache mit dem Landesamt für Denkmalschutz“, erklärt Dr. Andreas Hänel. Das Jahrhunderte alte Gebäude wird mit der Unterstützung von Restauratoren nach der Fertigstellung wie ein Spaziergang durch die Geschichte sein. „Was wir erhalten wollen, kann aus unterschiedlichen Zeiten stammen“, erläutert Dr. Andreas Hänel.

Ein Ziegel für 10 Euro
Die Nutzung, die von „Kulturerbe Bayern“ anvisiert ist, sieht im Dachstuhl eine zweigeschossige Wohnung mit offener Galerie und Blick auf die St.-Jakobs-Kirche vor. Im ersten Stock wird es ein kleineres Appartement geben und Räumlichkeiten für den Verein Alt Rothenburg. Die geräumige Eingangshalle könnte für Veranstaltungen genutzt werden. Von hier wird auch der Zugang zur Mikwe sein.

Die Judengasse 10 soll zu einem Ort inspirierender Begegnungen werden und auf dem Weg dahin sucht „Kulturerbe Bayern“ auch Mitglieder und Förderer. Wer möchte, kann die Patenschaft für einen der etwa 5 000 Ziegel oder für verschieden große Gebäudeteile übernehmen. Wer lieber ein Fenster hätte, auch das ist möglich. Ab 10 Euro geht es los. Das Prozedere ist ganz unkompliziert gestaltet: Auf der Webseite www.judengasse.10.de gibt es nicht nur einen digitalen Rundgang durch das ganze Haus (mit Bohlenstube), sondern mit einem Klick kann man auch Förderer werden und sich sein persönliches Detail sichern. Alle Förderer werden nach Bauabschluss auf einer Tafel im Eingang genannt. am