Nachhaltig Nov01


Nachhaltig

Firma Gamstätter mit Geschichte

Eines der ältesten Familienunternehmen im mittelfränkischen Raum hat sich bis heute bewährt. Tatsächlich lässt sich die ganze Geschichte der Firma Gamstätter Raumausstattung GmbH auf das Jahr 1800 zurückdatieren. Mit einer Sattlerei fing alles an. Das Einzige was von dem ursprünglichen Handwerksgebäude der Familie Gamstätter in Uffenheim heute noch übrig ist, sind zwei alte Türen aus der Gründungszeit. Im Frühjahr 1945 lag der ganze Ort nach einem Luftangriff in Schutt und Asche.

Jürgen und Carola Gamstätter sind mit ihren treuen Mitarbeitern ein unschlagbares Team. Foto: ul

Jürgen und Carola Gamstätter sind mit ihren treuen Mitarbeitern ein unschlagbares Team. Foto: ul

In dem eher ländlichen Städtchen Uffenheim gab es damals viel Arbeit für das Sattlerhandwerk. Es bestand großer Bedarf an Ochsengeschirren für Ackergeräte und Erntewagen in der Landwirtschaft. „In Großstadtnähe waren natürlich eher Reitsattel gefragt“, erzählt Jürgen Gamstätter ein wenig verschmitzt. Eine Kutsche, die heute noch im Museum „Achse, Rad und Wagen BPW Bergische Achse KG“ bei Siegen zu sehen ist, zeugt von dem handwerklichen Geschick der Gamstätters auch für Produkte der damaligen „Haûte Couture“.

„Die Kutschen wurden als Rohgestell geliefert und bei uns mit ledernen Sitzpolstern, Pferdegeschirr und gegebenenfalls mit einem Faltdach ausgestattet“, weiß Jürgen Gamstätter aus Erzählungen seiner Vorfahren. Die ersten drei Generationen im Sattlerhandwerk hießen „Meck“ mit Nachnamen. Urgroßvater Christian Meck hat in die Familie Gamstätter eingeheiratet und übernahm als Sattler zusätzlich die Werkzeuge und das Inventar einer ehemaligen Nürnberger Polsterei.

Auch Vater Christian (so hießen fast alle Gamstätterjungs mit Vornamen) war noch Sattlergeselle, der sich jedoch schon damals in Richtung Polsterei und Tapezierarbeiten umorientierte. Erst in den 60er Jahren wurde die Firma ein Geschäft für Raumausstattungen.

Im Jahr 1991 übernahm Jürgen Gamstätter das heute 220 Jahre alte Unternehmen mit Polsterei, Gardinen, die maßangefertigt werden, und Bodenbelägen in der Hauptsache. Das ganze Repertoire wurde schon von seinen Eltern angeboten. Allerdings standen zusätzlich Kinderwägen und Nähkörbe zum Verkauf. Nicht nur das Portfolio änderte sich, sondern auch die Art der Kommunikation. Was heute per E-Mail, übers Internet und per Handy funktioniert, lief noch postalisch. „Eine alte Kundin aus Ergersheim sandte eine Postkarte mit den Wünschen für Gardinen und Vorhänge“, erzählt Carola Gamstätter, die erst 17 Jahre alt war, als sie ihre „besseren Hälfte“ fand, Bäckerin lernte und in die Familie Gamstätter einheiratete. Nach ihrem Einstieg in die Firma machte die junge Ehefrau ihren Abschluss als Einzelhandelskauffrau und ließ sich anschließend zur Raumausstatterin ausbilden.

Vor circa 25 Jahren wagte das Ehepaar den Sprung ins kalte Wasser und baute die Geschäftsräume und Werkstätten mit hohem finanziellem Aufwand um. Es entstand ein Nähzimmer, eine Polsterwerkstatt, ein Büroraum und Ausstellungsräume für Gardinen, Taschen, Sonnenschutzvarianten für Fenster und Balkon. Es befanden sich Teppiche als Tapete an den Wänden und Bodenbeläge aus PVC im ganzen Haus, die komplett erneuert wurden. „Am Ende war eine Kernsanierung notwendig“, erinnert sich das heute noch glückliche Paar und gleichzeitig perfekte Duo auf geschäftlicher Basis. Apropos Team: über eines ist sich die heutige Chefin im Verkauf, Carola Gamstätter im Klaren. „Ohne die langjährigen Mitarbeiter wären wir nicht da, wo wir heute sind“, betont sie weiter. Alle Angestellten sind über 20 Jahre im Geschäft. Sei es im Handwerks- oder Verkaufsbereich. Seit über 26 Jahren polstert Jürgen Seßler mit großem handwerklichem Geschick alte, aber auch jüngere Sitzmöbel auf. Wo findet man noch echtes Handwerk? Wo lässt man Erbstücke wie Sofas oder Sessel professionell aufpolstern?

Das Traditionsunternehmen Gamstätter hat Polsterarbeiten, Bettwäsche und Matratzen, selbst genähte Gardinen, Sonnenschutz für Fenster und Balkon und Recycling-Taschen im Repertoire. Fotos: Privat

Das Traditionsunternehmen Gamstätter hat Polsterarbeiten, Bettwäsche und Matratzen, selbst genähte Gardinen, Sonnenschutz für Fenster und Balkon und Recycling-Taschen im Repertoire. Fotos: Privat

Bei der Firma Gamstätter ist man diesbezüglich in guten und vor allem in erfahrenen Händen. „Bei uns kann ein rohes Sofagestell oder ein Sessel von Grund auf wieder neu mit Sitzfläche und Stoffüberzug ausgestattet werden“, beschreibt der Firmenchef Jürgen Gamstätter das eigene Handwerk. Zuerst werden Gurte auf den Sofarahmen gespannt, darauf folgt die Federung mit Metallspiralen, wie man es von Federkernmatratzen kennt. Das Ganze wird anschließend ausgefüllt und mit robustem Jute als Rohstoff überzogen. Mit dem sichtbaren Stoffbezug erhält das Möbelstück seine endgültige Optik. (Bild oben li. in der Collage). „Ein so hochwertig reproduziertes Möbelstück sieht nach zehn bis zwanzig Jahren noch genauso aus“, bemerkt Gamstätter immer wieder bei Kundenbesuchen.

Was das Familienunternehmen besonders auszeichnet, ist der Bezug der Rohmaterialien ausschließlich von deutschen Herstellern. Auf diese Weise gibt es auch in Coronazeiten keine Lieferprobleme. Einst war Oberfranken das Dorado für Möbelstoffe. „Die Werkbank China hat die fränkische Markenherstellung von Q2-Stoffen (sogenannte Flachgewebe) und dem Chamelle-Stoff als Pendant für Velourbezüge ziemlich zerbröselt“, weiß Jürgen Gamstätter zu berichten.

„Es wird Zeit, dass sich die Menschen wieder auf Nachhaltigkeit zurückbesinnen“, so der Polsterfachmann weiter. Im Hause Gamstätter wird das schon lange praktiziert und nicht nur im Polsterhandwerk umgesetzt. Soll ein Zimmer neu gestaltet werden, spielen auch Gardinen und Vorhänge passend zum Mobiliar, eine große Rolle. Bei der Erstbesichtigung werden Farbe und Struktur der Stoffe dem Raum entsprechend ausgewählt und in der eigenen Werkstatt zugeschnitten und genäht. Die passenden Vorhangstangen hat der Fachmann ebenfalls in großer Auswahl im Angebot. Auch das Material der Bodenbeläge stammt aus deutscher Produktion. Heute liegen glatte Böden mit Holz- oder Steinoptik voll im Trend. „Der Vorteil bei Teppichen ist jedoch der geringere Widerhall in den Räumen“, so Carola Gamstätter.

Qualität als Auswahlkriterium
Im Matratzenbereich schwört die Verkaufschefin auf die dreiteilige „Mix in One“- Matratze, die mit Reißverschlüssen verbunden sind. Jedes der drei Teile kann nach Bedarf einen anderen Härtegrad haben und innerhalb von einem Jahr ­ausgetauscht werden. Das passende Nackenkissen mit Matratze kann der Kunde zu Hause testen und sich dann entscheiden. Zum Thema Recycling handelt die Firma mit „Fair-wear“ Rucksäcken, die jeweils aus 38 Plastikflaschen oder aus „Ocean-Plastics“ hergestellt werden.

Carola Gamstätter freut sich jetzt schon auf die jährlich stattfindende „Ranzenparty“ zwischen dem 7. und 30. Januar, zu der Jungen und Mädels getrennt ihre Wunschbüchertasche aussuchen können. Das Ganze läuft natürlich nach Terminvergabe, um die Coronabedingungen einzu­halten.
Damit das Handwerk nicht ausstirbt, sucht das Traditionsunternehmen einen Lehrling für das Polsterhandwerk und die Raumausstattung. ul