Hilfe, die keiner sieht Dez01


Hilfe, die keiner sieht

Die Rothenburger Tafel versorgt Hilfebedürftige

Kaum jemand sieht sie – Menschen, denen es an vielem fehlt. Im Gegensatz zu Großstädten sitzen in Rothenburg keine hilfebedürftigen Menschen am Wegesrand und betteln. Aber es gibt sie auch hier. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Rothenburger Tafel geben seit 16 Jahren jeden Freitag Lebensmittel und Drogerieartikel aus, um die Not ein wenig zu lindern. Gleichzeitig werden auf diese Weise überschüssige, aber qualitativ einwandfreie Lebensmittel vor der Vernichtung bewahrt. Eine Fülle von Gütern werden gerettet – Woche für Woche, Jahr für Jahr.

Jeden Freitag füllen sich die Regale der Rothenburger Tafel mit Lebensmittelspenden.Foto: ul

Jeden Freitag füllen sich die Regale der Rothenburger Tafel mit Lebensmittelspenden. 1Foto: ul

Die Idee, eine Tafel für Bedürftige zu gründen, entstand aus einer Initiative der damaligen Rothenburger Stadträtinnen heraus. Bei Altdekan Dr. Dietrich Wünsch, der schon immer ein großes Herz für soziale Aktionen hatte, wurden gleichzeitig offene Türen eingerannt. Die Tafel wurde bereits im März 2004 in die Tat umgesetzt. Geeignete Räumlichkeiten mussten her. Im Alten Keller fanden sich kleine Räume mit einem schlauchartigen Gang, hin zu einem Lagerraum. „Das sollte es erst mal sein“, erklärt Beate Junkersfeld, Sozialberaterin im Diakonischen Werk, die von Beginn an die Koordinatorin für das Sozialprojekt war.

Das Angebot fand großen Anklang. Allerdings gab es zu wenig Platz für Lagerung und Ausgabe der Lebensmittel. Das Hauptproblem aber war der fehlende Warteraum. Die Menschen mussten bei Wind und Wetter draußen stehen. Mit der Zeit waren die Rahmenbedingungen untragbar. Beate Junkersfeld hatte die Mission Umzug in die Hand genommen und nach einem geeigneten Objekt gesucht. Und gefunden: Die neue Adresse in der Wenggasse 39 wurde im März 2011 bezogen. „Es war gar nicht so einfach. Nicht jeder möchte eine Tafel im Haus haben“, so die Erfahrung der Koordinatorin.

Ein riesiger Raum wurde von zwei Schreinermeistern unter den ehrenamtlichen Tafelhelfern zum Materialkostenpreis passend umgebaut. Auch ein Warteraum ist dabei, der nicht selten ein Raum für Gespräche ist. Heute in Coronazeiten sorgt ein großer Teddybär und rot-weiße Baustellenbänder für den nötigen Abstand und je nach Vorschrift auch ein Warten vor der Tür.

Was sind es für Menschen, die in unserem Land so hilfebedürftig werden können? „Die meisten kommen über meine Sozialberatungstermine zu einem Berechtigungsschein für die Tafel. Alle, die Sozialleistungen in Form von Arbeitslosengeld II, Wohngeld oder Sozialhilfe bekommen, sind auch berechtigt, Lebensmittel über die Tafel zu beziehen“, erklärt Beate Junkersfeld. Es kommen Leute aus allen Schichten, die sich niemals hätten träumen lassen, einmal auf die Tafel angewiesen zu sein. Oft schämen sich Betroffene und reagieren mit der Aussage: „Nein, soweit bin ich noch lange nicht.“

Seit 2005 wurden in Rothenburg insgesamt 650 Ausweise erstellt, die jeweils auf ein Jahr befristet werden und gegebenenfalls verlängert werden können. Derzeit gültige Kundenkarten umfassen 90 Erwachsene und 50 Kinder. Nicht ganz die Hälfte aller Haushalte sind Alleinstehende.

Eine besondere Herausforderung für die Ehrenamtlichen der Rothenburger Tafel war das Flüchtlingsjahr 2015. Damals lag die Anzahl der Ausweise bei 130 bis 140 (anstatt bei 90). Dabei ist das 35-köpfige Helferteam an seine Grenzen gestoßen, hat es aber dennoch geschafft. „Es ist bisher noch keiner ohne etwas in der Hand rausgegangen“, berichtet Brigitte Schmid, die seit knapp zehn Jahren mitarbeitet. So ein Freitag bei der Tafel ist für die Ehrenamtlichen voll ausgebucht.

Morgens um 7.30 Uhr starten drei Fahrer mit Privatbussen, um die Spenden von den Supermärkten, kleinen Lebensmittelgeschäften, Drogerien und Bäckereien abzuholen. „Natürlich müssen wir nicht immer alle 20 Sponsoren anfahren, je nachdem, wie viel auf der Spendenliste steht“, erzählt Hermann Uhl, der seit zweieinhalb Jahren als Fahrer engagiert ist. Kurz nach seiner Pensionierung ist der ehemalige Polizist durch eine Führung bei der Rothenburger Tafel in den ehrenamtlichen Dienst eingestiegen. „Ich bin in der Regel einmal im Monat als Fahrer aktiv“, erklärt er. So wie es sein Zeitrahmen eben zulässt.

In der Wenggasse warten bereits drei Helferinnen auf die Lieferung der Spenden, um die Waren in die Regale zu sortieren. Jede von ihnen hat ihren festen Platz. Eine beim Gemüse, eine Helferin am Kühlschrank und eine Dritte hinter der Brottheke. „Es dauert seit der Coronazeit alles viel länger“, erzählt Ursula Ilgenfritz. Es dürfen aufgrund der Abstandsregelungen weniger Helfer vor Ort sein und gleichzeitig darf nur eine Person ihre Ware abholen.

Jeden Freitag ab 14.30 Uhr wird die Tafel eröffnet und um ca. 17 Uhr sind alle versorgt. Was kaum jemand weiß, ist, dass der Erlös aus der Betätigung des Spendenknopfes an den Leergut-Automaten in den Supermärkten auch der Rothenburger Tafel zugutekommt. Bald steht Weihnachten vor der Tür. Bei der Wunschzettel­aktion eines Elektrogeschäfts werden Geschenke im Wert von 20 Euro gespendet.

Anlässlich besonderer Feiertage wie auch zu Ostern werden Geschenkgutscheine von örtlich ansässigen Metzgereien gespendet. Zum einen, weil bei der Tafel kein Fleisch ausgegeben wird und zum anderen damit die Hilfebedürftigen auch einmal ein Festessen zubereiten können. Mit der Zeit werden die älter werdenden Helfer rar. Schüler können sich über ein „Freiwilliges Soziales Jahr“ für 60 Stunden in Sozialeinrichtungen engagieren. Das Helferteam ist um jede weitere Hand bei der Tafel dankbar.

„Und wenn es nur einmal im Monat ist, wäre uns sehr geholfen“, erzählt die eingespielte Mannschaft. Bei Interesse kann man sich bei Beate Junkersfeld unter der Telefonnummer: 09861-8752-20 melden. Schüler können sich für ein „Freiwilliges Soziales Jahr“ (FSJ) per E-Mail: kasa-rothenburg@diakonie-ansbach.de anmelden. ul