Gemeinschaft versetzt Berge Sep01


Gemeinschaft versetzt Berge

Gudrun Schammann engagiert sich weiter für Menschen in ihrer Umgebung

Seit Jahrzehnten aktiv, von allen geschätzt und mit 84 Jahren immer noch ein Bindeglied zwischen den Menschen: Gudrun Schammann ist auf einem Bauernhof mit Direktvermarktung in Freudenheim nahe Mannheim geboren.

Das 200-Seelen-Dorf sei älter als die Stadt mit über 300 000 Einwohnern, erklärt sie. „Eigentlich wollte ich Lehramt studieren, aber der Wunsch meiner Eltern war ein anderer“, erzählt sie aus früheren Zeiten, als die Eltern noch ein gewichtiges Wort bei der Berufswahl mitzureden hatten. Also ging sie den Weg eines Mädchens vom Lande und begann eine Ausbildung in der Ländlichen Hauswirtschaft und wurde später Hauswirtschaftsmeisterin.

Gudrun Schammann plädiert mit 84 Jahren für starke Gemeinschaft unter den Menschen. Foto: ul

Gudrun Schammann plädiert mit 84 Jahren für starke Gemeinschaft unter den Menschen. Foto: ul

Engagement mit Herz
Schon in jungen Jahren wollte sie als Parteimitglied in der CDU etwas bewegen und setzte sich in der Evangelischen Landjugend Baden-Württemberg für die ländlichen Interessen ein. Es gab viele überregionale Treffen. So lernte sie auf einer Landesversammlung in Stuttgart den Kreisvorsitzenden Hans-Friedrich Schammann kennen und heiratete 1963 in den Milchviehbetrieb ein. Kaum in dem tauberfränkischen Örtchen Neubronn bei Creglingen gelandet, brachte sie sich in der Kirchengemeinde ein. „Du hast doch schon den Landjugendchor geleitet und kannst Klavier spielen“, wurde sie freundlich gebeten, das Orgelspiel zu übernehmen. Die Pfarrstelle war damals vakant und es fehlte an einer engagierten Chorleitung. Die Dorfkirche St. Georgius ist nach dem Schutzpatron der Bauern benannt. „Deshalb heißt unser Hof auch Georgshof“, erzählt die immer noch aktive Organistin. Was der engagierten Bäuerin besonders am Herzen lag, war die Gemeinschaft mit Nachbarn und Ortsmitgliedern ohne Neid, wie sie immer wieder betont.

Als ein Auffangsee für den Herrgottsbach in Creglingen zum Tagesgespräch wurde, kam bei einem Landfrauenabend die Idee auf, aus dem entstandenen See einen Badesee für Urlauber und Anwohner entstehen zu lassen.

Die Idee ließ die Damen nicht mehr los und sie dachten an mehr Unterkünfte in der wunderschönen tauberfränkischen Umgebung. Sofort wurden mögliche Zuschüsse für einen Urlaub auf dem Bauernhof ermittelt. Denn Höfe gab es viele. Zudem würden die Urlauber hier leben und einkaufen und auf diese Weise Geld in die Region bringen. Mit der Gründung des Arbeitskreises „Ferien auf dem Lande“ im Jahr 1969, der heute noch einer der größten im gesamten Bundesgebiet ist, wurde der Creglinger Raum für Urlauber aber auch für Einheimische zu einem Erholungsgebiet. Gudrun Schammanns Wunsch nach guter Zusammenarbeit und einer starken Gemeinschaft mit den Menschen um sie herum ging in Erfüllung.

Ein tödlicher Unfall ihres Mannes Hans-Friedrich im Jahr 1976 erschütterte die ganze Familie mit mittlerweile fünf Kindern zwischen zwei und 12 Jahren. Die Arbeit auf dem Bauernhof wollte sie nicht aufgeben. Mit bemerkenswerter Energie schaffte sie es, als Hauswirtschaftsmeisterin insgesamt 60 Lehrlinge auf dem Georgshof auszubilden. Heute betreibt ihr Sohn als Landwirtschaftstechniker die mit 37 Milchkühen bewirtschaftete Hofstelle. Das war jedoch noch nicht alles.
Als engagiertes Mitglied in der CDU und als Vorstandsmitglied des Ortsverbandes und stellvertretende Kreisvorsitzende der CDU-Frauenunion setzte sie sich für gemeinschaftliche Ziele ein. Im Kreistag saß sie über 20 Jahre, zeitweise als einzige Frau.

Tradition verbindet
Längst mit den tauberfränkischen Traditionen vertraut, engagierte sich Gudrun Schammann natürlich auch beim öffentlichen Schneeballbacken auf dem Maisingen in Creglingen. In mehr als 40 Jahren entstanden 60 000 fränkische Schneeballen beim traditionellen Schaubacken. Die Herstellung des begehrten Gebäcks lehrte Gudrun Schammann über fünf Jahre an der Volkshochschule. Über den immensen Einsatz für den ländlichen Raum wurde sie zu einem Landfrauenvortrag vor einer japanischen Delegation nach Rothenburg eingeladen.

„Du könntest ihnen doch einmal etwas über unsere Landwirtschaft und unsere Agrarpolitik erzählen“, motivierte sie der damalige Rothenburger Oberbürgermeister Oskar Schubart. Im Publikum hörten drei Professoren für Landwirtschaft von der Universität in Tokio gespannt auf das, was die erfahrene Agrarierin zu alternativen Einkünften im ländlichen Raum zu sagen hatte.

„Einer der angehenden japanischen Professoren griff das Thema des ländlichen Tourismus in Deutschland in seiner Promotionsarbeit auf“, erinnert sie sich heute noch. Besonders der Aspekt, die gesamte wirtschaftliche Situation im ländlichen Raum durch den Tourismus zu stärken, lag im Fokus seiner Arbeit. Die ganze Thematik fand ein solch starkes Interesse, dass Gudrun Schammann als Gastreferentin zum Thema ländlicher Tourismus nach Tokio eingeladen wurde.

Ein Vortrag vor den Landfrauen in der Japanischen Hauptstadt Tokio über das fränkische Landleben und erneuerbare Energien. Foto: Privat

Ein Vortrag vor den Landfrauen in der Japanischen Hauptstadt Tokio über das fränkische Landleben und erneuerbare Energien. Foto: Privat

Unter den Zuhörern war die japanische Ortspräsidentin für Landwirtschaft und gleichzeitig Schauspielerin Mie Hama, die, nebenbei gesagt, in einem 007 James Bond Film mitgewirkt hatte. Ihr besonderer Einsatz galt den japanischen Landfrauen, denen es nicht gestattet wurde, Fremde im eigenen Haus zu beherbergen.
Der Startschuss für gegenseitige Besuche japanischer und fränkischer Bäuerinnen war gefallen. Ähnlich wie in Tauberfranken ist die Lage der Bauernhöfe rund um Tokio eher klein strukturiert. Kleinere Hofstellen und Anbauflächen sind die Regel. Auch die Stadtnähe der japanischen Höfe bot eine ähnlich gute Voraussetzung für Ferien auf dem Land wie im Taubertal. Vorträge über die Einrichtung von Gästeunterkünften, Kalkulationen und mögliche staatliche Zuschüsse wurden diskutiert.

Vor etwa 25 Jahren begann ein reger Besucheraustausch zwischen den Landfrauen aus Japan und dem Frankenland. Ein Besuch in Waldmannshofen bei Creglingen veranschaulichte den Besucherinnen aus Japan eine Form der alternativen Energiegewinnung. Die örtliche Biogasanlage war ein ganz neuer Ansatz für die Besuchergruppe.

Seit des Reaktorunfalls in Fukushima im Jahr 2011 legt die japanische Bevölkerung den Fokus auf die Suche nach erneuerbaren Energien. Besonderen Eindruck hinterließen bei den japanischen Landfrauen auch die Windkraft- und Photovoltaikanlagen.

Musik liegt in der Luft
Was beide Länder verbindet war und ist die Musik. „Ich habe vor vielen Jahren einen Partykeller mit einem Klavier eingerichtet“, erzählt sie von dem heute noch gern genutzten Raum. Die Besuchergruppe wünschte sich nach einem Loreley-Besuch das Lied mit dem Gedicht von Heinrich Heine als Liedtext: „Ich weiß nicht was soll es bedeuten…“ zu singen. „Die mitgebrachten Noten konnten alle lesen. Wir sangen gemeinsam in japanischer und deutscher Sprache“, erzählt sie begeistert. Von diesem Tag an hat keine Besuchergruppe aus Japan je Deutschland verlassen, ohne die neu ernannte Hymne deutsch-japanischer Landfreundschaft gesungen zu haben. Heute verbindet die Menschen beider Länder mehr als nur die Wirtschaft und die Rolle der Landfrau.
ul