Eine Welt Mai01


Eine Welt

Fairer Handel in Rothenburg

„Jute statt Plastik“, „Brot für die Welt“ und der berühmte „Nicaragua-Kaffee“ sind Worte, die die 60er und 70er Jahre geprägt haben.

Vor etwa 50 Jahren forderten christliche Jugend- und Studentenorganisationen während der sogenannten „Hungermärsche“ faire Handelsbeziehungen zu Produzenten des Globalen Südens (ein gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich benachteiligter Staat).

Zwischen der Jutetasche als erstes Produkt und einem Fußball aus dem fairen Handel als das aktuelle Angebot im Rothenburger „Weltladen“ liegen 28 Jahre. Foto: ul

Zwischen der Jutetasche als erstes Produkt und einem Fußball aus dem fairen Handel als das aktuelle Angebot im Rothenburger „Weltladen“ liegen 28 Jahre. Foto: ul

Dazu gehören faire Lebens- und Arbeitsbedingungen mit angemessenen Löhnen, damit sich die Länder aus eigener Kraft eine wirtschaftliche Zukunft aufbauen können. Die jungen Menschen wollten die Welt zum Positiven verändern und gründeten die „Aktion Dritte Welt Handel“. In den folgenden Jahren wurden unterschiedliche Faire-Handelsorganisationen wie zum Beispiel El Puente und GEPA (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH) gegründet. 1973 öffnete der erste deutsche Weltladen in Stuttgart.

Auch die evangelische Jugend in der Rothenburger St.-Jakobs-Kirche schloss sich in den 90er Jahren der Initiative mit dem Ausschank von fair gehandeltem Nicaragua-Kaffee an.

„Pfarrer Hans-Jörg Meyer unterhielt unterdessen in der Kirche ein kleines Schränkchen mit fairer Handelsware, die nach den sonntäglichen Gottesdiensten gekauft werden konnten“, erinnert sich Axel Pauli, Erster Vorsitzender des Trägervereins „Dritte-Welt-Partner Rothenburg e.V.“, der am 12. November 1992 von Diakon Thomas Raithel gegründet worden war.

Im Januar 1993 eröffnete dann der Weltladen in der Klostergasse 20 mitten im Herzen der Altstadt. Das Angebot hielt sich mit dem vielerorts bekannten Nicaragua-Kaffee, Tee, Schokolade, bunten Stofffiguren und der Jutetasche aus Bangladesh noch in Grenzen. „Geschmeckt hat der Kaffee nicht wirklich“, so Pauli lächelnd.

Wenn man heute den kleinen Laden gegenüber von der St.-Jakobs-Kirche betritt, entsteht der Eindruck von einer riesigen Schatzkiste voller Überraschungen. Kleine Haarseifen und andere Körperpflegeprodukte, Filztiere, Taschen und Geldbeutel, Haarspangen und Halstücher aber auch Postkarten und Frühstücksgedecke von der Tasse bis zum Brotkörbchen. Auf dem Regal, gleich gegenüber der Eingangstür reihen sich Tragetaschen aus Moskitonetzresten und Handtaschen, die mit einer gehäkelten Handarbeit aus zerschnittenen Plastiksäcken verziert wurden. „Upcycling“ nennt man diese Form der Wiederverwertung, bei der Abfallprodukte in neuwertige Waren aufbereitet werden. „Wir arbeiten mit 20 ehrenamtlichen Mitarbeitern, sind nicht gewinnorientiert und bilden noch dazu ein tolles Team, das seit der Gründung des Weltladens mit Herzblut dabei ist“, so Hedwig Plodeck, Zweite Vorsitzende des Vereins. Im Laden stehen ausschließlich die Frauen. Seit vielen Jahren gibt es auch eine kleine Weltladen-Filiale im Tagungszentrum Wildbad. Im Gegenzug dazu steht auch fränkischer Honig aus dem Wildbad im Weltladen-Regal. Die Waren für das Geschäft werden aus dem Cadolzburger Weltladen-Großhandel bezogen. Dabei wird immer auf möglichst wenig Verpackungsmaterial geachtet und wenn es sein muss, dann möglichst Kompostierbares.

„Unsere Stärke ist, dass viele von unseren Mitgliedern ein gutes Gespür dafür haben, was sich in Rothenburg gut verkaufen lässt“, freut sich Hedwig Plodeck. Manch einer aus dem Rothenburger Weltladen-Team ist auch auf Faire Trade (fairer Handel) Messen vertreten, um sich einen Überblick über Neuheiten zu verschaffen“, erzählt sie weiter. Aktuell werden diese Messen online veranstaltet. Die Filzprodukte aus Nepal beispielsweise kommen aus einer Kooperative vieler Kleinbetriebe, die auch behinderte Menschen vor Ort beschäftigen. Zu seiner Sicherheit erhält jeder Produzent für alle seine Weltladenartikel einen fairen Festpreis.

Auch der Faire Handel leidet unter der Coronapandemie. Viele können wegen der Ausgangssperre nicht zur Arbeit, Produktionen stehen still und Waren können nicht geliefert werden. Mit der Aktion „fairewertsteuer“ im Jahr 2020 des Dachverbandes unter dem die Weltläden organisiert sind, geben die Geschäfte die Mehrwertsteuer-Absenkungen an einen Fond zur Unterstützung der Handelspartner weiter in den südlichen Ländern der Erde.

„Wir haben das Geld dem Nepaler Filzproduzenten zukommen lassen“, so Axel Pauli. Der hauptberufliche Bilanzbuchhalter stellt seit 2019 einen Anstieg von 45 Prozent des Umsatzes im Rothenburger Weltladen fest. In und vor der Coronakrise ist das Bewusstsein der Menschen für Waren aus fairem Handel und auch für regionale Produkte gestiegen, bemerken nicht nur die Mitglieder des Dritte-Welt-Partner Rothenburg e.V.. Die 900 Weltläden in Deutschland haben nicht nur den fairen Handel zum Ziel, sondern betreiben auch Informations- und Bildungsarbeit und wollen zu einer kritischen Auseinandersetzung mit wirtschaftlich-globalen Zusammenhängen anregen.

Zwei mal im Jahr organisiert der Rothenburger Weltladen Vorträge zu diesem Thema.

Die Solargläser aus alten Einmachgläsern stammen von der Firma „Sonnenglas“ in Südafrika, die viele Arbeitslose von der Straße geholt hat. Foto: Privat

Die Solargläser aus alten Einmachgläsern stammen von der Firma „Sonnenglas“ in Südafrika, die viele Arbeitslose von der Straße geholt hat. Foto: Privat


„Zudem können unsere Verkäufer­innen den Kunden genauestens über die vielen existierenden Bio- und Fair Trade Marken aufklären – welchem Etikett kann man vertrauen und welchem nicht? „Was bei uns drauf steht, ist auch drin“, erklärt, Hedwig Plodeck, denn selbst in den Supermarktketten haben diese Produktkennzeichnungen Einzug gehalten.

Das „Fairtrade Fussball-Quiz Bayern 2020“ hat mit der Förderung des Landkreises Ansbach Fußbälle aus fairem Handel für ein Gewinnspiel an deutschen Schulen und in Vereinen produziert. Ziel ist es, dass sich in Deutschland fair gehandelte Fußbälle etablieren und damit sicher gestellt wird, dass das „begehrte“ Objekt nicht aus der Kinderarbeit stammt. Die Gewinner der Aktion werden informiert, sobald die Coronabedingungen es erlauben.

„Wir hoffen, dass dadurch unsere Jugendorganisationen auf Interesse für gute Handelsbeziehungen mit dem globalen Süden stoßen und vielleicht ein wenig ins Nachdenken kommen“, hofft Axel Pauli.

Zukunftswünsche
Irgendwie passt gerade alles zusammen. „Die Jugend interessiert sich für den Klimaschutz, der uns alle angeht. Dazu gehört auch der faire Handel mit seinen zu 70 Prozent biologisch hergestellten Produkten“, so die beiden Vorstände. Jetzt wünscht sich das Weltladen-Team nur noch mehr junge Mitarbeiter, die sich neben Klimaschutz auch in Sachen fairer Handel unterstützend einbringen oder sich zum Beispiel im Bereich Öffentlichkeitsarbeit für den Verein stark machen wollen. ul