Eine Leidenschaft für Steine Jul01


Eine Leidenschaft für Steine

Bauhüttenleiter von St.-Jakob: Thomas Ehrlinger ist „seiner Kirche“ verbunden

Sein Traumjob: Thomas Ehrlinger verleiht einem Stein Form und Lebendigkeit.  Foto: am

Sein Traumjob: Thomas Ehrlinger verleiht einem Stein Form und Lebendigkeit.  Foto: am

Er ist Rothenburger durch und durch – und er ist Steinmetz durch und durch. „Wobei das mit dem Job eine verrückte Story ist“, sagt Thomas Ehrlinger. Er wollte nach der Schule „was draußen“ machen. „Ich hatte eine Zusage zur Lehre in der Forstwirtschaft“, erinnert er sich. Dann kam die politische Wende von Schmidt zu Kohl und es gab einen Einstellungsstopp.

Das Arbeitsamt schlug ihm eine Ausbildung zum Gärtner vor. Aber er hat Heuschnupfen. Also hat er sich als Zimmermann vorgestellt und hatte auch da eine Zusage. Dann kam ein Mitbewerber mit Abitur und er war wieder raus. „In den Sommerferien 1982 hatte ich immer noch keine Lehrstelle“, erzählt er.

Der Lehrer greift ein
Thomas Ehrlinger war gerade im Jugendzentrum. Man saß locker zusammen und sein einstiger Lehrer und damaliger Stadtrat Herbert Hachtel war auch dabei. Da rief seine Mutter Karin Müller, die das Lotto- und Pressegeschäft Müller führte, mit der Info an, dass die Firma Herrscher einen Steinmetzlehrling sucht. „Herbert Hachtel hat das Telefon in die Hand genommen und zu meiner Mutter gesagt: ‚Das macht er!‘“, erinnert sich Thomas Ehrlinger. So wurde er Steinmetz. „Und das hat sich als das genau Richtige für mich herausgestellt“, fügt er an.

Von 1983 bis 1995 war er bis auf eine vierjährige Unterbrechung bei der Firma Herrscher beschäftigt. Er hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt. „Ich bezeichne mich voller Stolz als Handwerker. Was anderes will ich nicht sein. Künstler sind diejenigen, die die Kirchen erbaut haben“, erklärt er sein Selbstverständnis.

Als er 1995 von einer freien Stelle bei der Bauhütte von St.-Jakob erfuhr, hat er sich zwar kaum Chancen ausgerechnet, aber sein Glück mal versucht. Die Bauhütte suchte einen versierten Handwerker und so hat er am 3. Juli 1995 dort angefangen. „Damals waren wir hier zu zweit“, erinnert er sich.

Arbeitsplatz mit Tradition
Die Bauhütte von St.-Jakob gibt es in dieser Form ohne Unterbrechung seit 1913. Zu Beginn waren bis zu 20 Handwerker beschäftigt. Der Zahn der Zeit nagt beharrlich an dem historischen Bauwerk und alle 50 bis 60 Jahre steht erfahrungsgemäß eine Großrenovierung an.

Nur knapp drei Wochen nach seinem Start in der Bauhütte erlebte Thomas Ehrlinger bereits einen markanten Einschnitt: Am 22. Juli 1995 verwüstete der Sturm „Emily“ Teile der Stadt und deckte das Dach der St.-Jakobs-Kirche zu zwei Dritteln ab. „In gewisser Weise war das Unglück aber sogar ein Glücksfall für mich, denn ich bin daher an Stellen der Kirche gewesen, die ich ohne den Sturm nicht gesehen hätte“, so Ehrlinger.

Wenn er über St.-Jakob spricht, dann nennt er das Gotteshaus meist „meine Kirche“. Er ist nach eigenen Aussagen ein „riesiger Gotik-Fan“, gläubig, Gemeindemitglied, leidenschaftlicher Sänger und könnte sich keinen schöneren Arbeitsplatz vorstellen. „Vor den Erbauern dieser Kirche ziehe ich so viele Hüte, die gibt es gar nicht“, stellt er fest.

In den letzten 26 Jahren hat er von und an der Kirche viel gelernt. Teil seiner Aufgabe sind monatliche Kontrollgänge. Dabei hat er einst eine zersprungene Kreuzblume entdeckt. Beim näheren Blick fiel ihm auch ein Schwibbogen auf, dessen Fugen auseinander klafften. „Da haben meine Alarmglocken geläutet“, erzählt er. Statiker, ein Planungsbüro und die Landeskirche wurden eingeschaltet und in der Folge dieser Entdeckung die letzte große Renovierung initiiert. Von 2004 bis 2012 fand unter dem Motto „St.-Jakob steht auf“ ein restauratorisches Großprojekt an der Kirche statt.

Anfangs kam noch ein Lehrling ins Team, dann wurde mit weiteren zwei Mann aufgestockt. Für seinen damaligen Chef und bis Ende 2010 Bauhüttenleiter, den Steinmetzmeister Jérome Zahn, findet Ehrlinger nur wertschätzende Worte. „‚St.-Jakob steht auf‘ war stellenweise für mich wie eine neue Lehre“, erzählt Thomas Ehrlinger. Das Team hat eigene Mörtelrezepturen nach der Originalzusammensetzung entwickelt. „Auch wenn ich heute etwas an St.-Jakob mache, verwende ich nur diesen Mörtel“, so der Steinmetz, „Der ist zwar nicht ganz einfach zu verarbeiten, hat sich aber bewährt.“

Die Arbeit am Stein
In der Bauhütte, die Thomas Ehrlinger aktuell als Einzelkämpfer leitet, stehen neben Maschinen und jeder Menge Werkzeug auch verwitterte Steine und daneben fast fertige, neue Exemplare. Die Arbeit am Stein ist die Kür eines jeden Steinmetzes. „Ich kopiere Originale und im besten Fall sieht man keinen Unterschied“, erklärt Ehrlinger sein Handwerk mit der ihm eigenen Zurückhaltung.

Die Tage am Stein sind aber selten. Aktuell ist Ehrlinger mit der Organisation der Baustelle an der Franziskanerkirche betraut. Außerdem kümmert sich die Bauhütte um alle handwerklichen Arbeiten, die bei der Kirchengemeinde St.-Jakob anfallen. Die Ausführung von rund 20 Gewerken gehört zum Alltag des Bauhüttenleiters. „Erfahrene Handwerker können immer mehr als nur ihr eigenes Gewerk“, stellt Ehrlinger fest.

Ebenso leidenschaftlich ist Ehrlinger Festspieler und stand 13 Jahre als Waffenmeister Scheiblein auf der Bühne. Sein Sohn Marco und seine Frau Andrea sind an Pfingsten ebenfalls aktiv. Foto: Schmid

Ebenso leidenschaftlich ist Ehrlinger Festspieler und stand 13 Jahre als Waffenmeister Scheiblein auf der Bühne. Sein Sohn Marco und seine Frau Andrea sind an Pfingsten ebenfalls aktiv. Foto: Schmid

So sehr sein Herz auch für „seine Kirche“ schlägt, es gibt noch mehr im Leben von Thomas Ehrlinger. Mit 20 Jahren kam er zum Verein „Historisches Festspiel“. Er war zuerst als Bote der jungen Schar und dann 13 Jahre lang als Waffenmeister Friedrich Scheiblein im Bühnenstück „Der Meistertrunk“ auf der Bühne zu sehen. „Aber der Gesang aus der Zeit mit der jungen Schar hat mir gefehlt“, erzählt er. Im Jahr 2002 wurde daher die Festspielgruppe „Loser Haufen“ gegründet, deren Sänger in kleinen Gruppierungen durch die Stadt ziehen. Thomas Ehrlinger ist als Bass dabei. Aus den anfänglich 13 Sängern sind mittlerweile 22 Aktive geworden.„Wir haben uns mit den Jahren stetig gesteigert, denn unser Chorleiter Jochen Kilian hat es verstanden, uns etwas beizubringen“, sagt er.

Neben der musikalischen Untermalung der Pfingstfeiertage sorgen einige Sänger des „Losen Haufens“ bei der Pfingstandacht und der Weihnachtsandacht in der Franziskanerkirche für die stimmungsvolle Untermalung.

Und noch eine Leidenschaft prägt sein Leben. „Die ‚Franken Knights‘ sind mein großes Hobby“, so Ehrlinger. Ein bisschen bedauert er es, nie selbst Football gespielt zu haben, aber dafür feuert er nun seinen Sohn Marco umso begeisterter an. Thomas Ehrlinger ist Mitglied bei den „Franken Knights“ und kümmert sich um die Ausrüstung der Spieler. Ach ja, und er wohnt mit seiner Familie im Heckenacker „mit Blick auf die Kirchtürme“, so Ehrlinger. am