Ein virtuoser Stratege Jan14


Ein virtuoser Stratege

Johannes Mnich ist der Gründungsintendant der TauberPhilharmonie

Mitte 30 und schon Intendant einer nigelnagelneuen Philharmonie: Johannes Mnich ist einer, der neue Wege gehen kann – und will. Er ist einerseits der studierte Pianist und erfahrene Kulturmanager, der Weltklasse-Stars nach Weikersheim holt und in der TauberPhilharmonie einen fulminanten Eröffnungssommer inszeniert hat.

Johannes Mnich ist Herr über einen wunderbaren Konzertsaal mit modernster Technik. Allein Corona beschränkt ihn aktuell in den vielen Möglichkeiten, für die er ihn gerne nutzen würde. Foto: am

Johannes Mnich ist Herr über einen wunderbaren Konzertsaal mit modernster Technik. Allein Corona beschränkt ihn aktuell in den vielen Möglichkeiten, für die er ihn gerne nutzen würde. Foto: am

Er ist aber andererseits auch der trendige Mittdreißiger, der mit seinem ebenso jungen Team bei lässigen Aktionen über Facebook und Instagram sein Haus in den Fokus rückt und sich nicht scheut eine blasmusikwilde „Meute“ in seinem Konzertsaal toben zu lassen.

Kultur in Coronazeiten
Gerade mal neun Monate währte das Glück der TauberPhilharmonie in Weikersheim, dann kam der erste Lockdown. Nach einer sommerlichen Coronaspielzeit mit ausgefeiltem Hygienekonzept im November dann das zweite Aus. Wie sich Johannes Mnich als Intendant dabei so fühlt, lesen Sie im anschließenden Interview. Aber er lässt sich nicht unterkriegen, denn Musik, Kultur und deren Vernetzung in der Gesellschaft sind und bleiben sein Leben.

„Ich bin ein echtes Nordlicht“, sagt er, „Ein regnerischer Tag ist für mich bestes Wetter.“ Johannes Mnich ist in Achim bei Bremen aufgewachsen. Die ganze Familie ist musik-affin und mit sechs Jahren begann er Klavier zu spielen. Mit 16 war klar, er wird das zur Profession machen. Nach dem Abitur studierte er an der Musikhochschule in Hannover, die einen weltweit ausgezeichneten Ruf in der Ausbildung von Pianisten hat.

Gut vernetzt
Studienkollege und längst ein Freund ist Weltklasse-Pianist Igor Levit, der nicht nur in Sälen der Carnegie Hall, Berliner Philharmonie oder der Elbphilharmonie spielt, sondern im Eröffnungssommer auch in der TauberPhilharmonie zu Gast war. „Bei solchen Mitstudenten darf man sich selbst keiner Illusion hingeben“, sagt Mnich mit einem Schmunzeln. Ihm war schon immer klar, Klavier studieren, ja, aber Pianist wollte er keiner werden. Also hat er nebenbei, „einfach aus Interesse“, fünf Semester Germanistik und Politikwissenschaft studiert. „Wo liegen meine Stärken?“, war die Frage, die er sich gestellt hat. Einerseits liebt er das Klavierspiel, andererseits ist da der begeisterte Manager und Netzwerker in ihm. „Ich habe schon früh meine eigenen Konzerte moderiert“, sagt er.

Nach dem Abschluss in Hannover ging er zum Masterstudium nach London an das Trinity College of Music in Greenwich. „Das war eine irre Zeit“, erinnert er sich. Als Mittzwanziger in einer Metropole wie London habe er die Kultur wie ein Schwamm aufgesogen. Parallel zum Studium, zu Soloauftritten und einem kleinen Lehrauftrag hat er in England das Management für ein Kammerspielfestival übernommen, das Konzerte auf Landsitzen oder im Wohnzimmer eines Barons veranstaltete. „Das war sehr inspirierend“, erinnert er sich.

Und da er schon immer ein neugieriger Mensch war, heuerte er am Tag nach seinem Masterabschluss auf einem Kreuzfahrtschiff an. Als „Guestentertainer“ hat er bei Touren zu den Kanaren, im Mittelmeer, in der Ostsee und von New York bis in die Karibik alle zwei bis drei Tage ein Konzert gegeben – und dabei ein bisschen die Welt entdeckt.

Weil alle Lebenslust dennoch nach Tiefe strebt, ging es für ihn 2012 zurück ins wahre Leben. Johannes Mnich hat sich dafür gleich mal ein Großunternehmen ausgesucht. Der Chemiekonzern BASF Ludwigshafen hat nicht nur zwei eigene Konzertsäle, sondern veranstaltete eine Pianistenreihe und ein Kammermusikprogramm. Für beide war Mnich von 2012 bis 2015 der Kulturmanager. „Die hierarchischen Strukturen waren aber auf Dauer nichts für mich“, erzählt er. Er hatte Kontakte zum internationalen Musikfestival „Heidelberger Frühling“ und hat sich initiativ beworben. „Es gab so viele Zufälle in meiner Laufbahn“, sagt er, denn gerade zu diesem Zeitpunkt suchte das Musikfestival einen Projektleiter für die Festivalakademie, die auch engagiert in der Nachwuchsförderung tätig ist.

Eigentlich ein Traumjob, wäre da nicht im Sommer 2017 das Inserat in „Die Zeit“ gewesen. „Weikersheim sucht Gründungsintendanz“ las Johannes Mnich. Seine Frau kommt aus Assamstadt, nur 20 km von Weikersheim entfernt, das erste Kind war geboren und Mnich selbst kannte Weikersheim von einem Aufenthalt bei der Musikakademie Jeunesse Musicales als 15-Jähriger. Und natürlich war da noch die unglaubliche Chance, ein Konzerthaus von Null aufzubauen. Und das mit Anfang 30.

„Ich habe mich daher mit viel Optimismus beworben“, erzählt der heutige Intendant. Vier Monate hörte er nichts, dann kam die Einladung zum Vorstellungsgespräch. Neben 28 Mitbewerbern hat sich Mnich durchgesetzt. Im November 2017 kam die Zusage, am 2. Mai 2018 startet er als Intendant mit einem Haus, das gerade erst gebaut wurde. „Ich konnte losgelöst von den Bauentscheidungen in die inhaltliche Planung gehen“, erzählt er. Im Juli 2019 war dann Eröffnung. Mnich hat alle 18 Kommunen des Main-Tauber-Kreises in sein erstes Programm eingebunden, denn jede übernahm die Patenschaft für eine Veranstaltung. Niederstetten suchte sich dabei die Techno-Blasmusik von „Meute“ aus.

Im August trat sein Studienkollege und Freund Igor Levit auf, Erwin Pelzig kam und ein Zukunftstag im März war geplant. Auch wenn die TauberPhilharmonie ein Haus für die ganze Region ist und auch für Gemeindesitzungen oder private Veranstaltungen genutzt wird, bleibt sie dennoch ein kuratiertes Haus: Das Programm wird von innen her gedacht.

Ein frischer Ansatz
Intendant Johannes Mnich packt das aber nicht als elitärer Elfenbeinturmwächter an, sondern versteht sich und sein Haus als Dienstleister für Kultur. Der qualitative Anspruch ist hoch, aber „die Zeiten, wo Kultur nur Opium für das Volk war, sind vorbei“, so Mnich. Dennoch wundert sich der interessierte Kulturgänger, wie Mnich es schafft, die großen Namen der Klassik, des Kabaretts und der modernen Unterhaltungsszene nach Weikersheim zu holen. „Ich habe ein sehr gutes Netzwerk und Ehrlichkeit in den Verhandlungen zahlt sich aus“, so Mnich. Immerhin kann er in normalen Zeiten 630 Plätze im großen Saal verkaufen und die Stadt Weikersheim schießt im Jahr 300 000 Euro zu. „Aber Gagen wie in den großen Häusern in Stuttgart oder München kann ich nicht zahlen“, sagt er. Aber er bekommt es hin. „Wir finden es toll, wie das Haus angenommen wird und in die Region hineinstrahlt“, so der Intendant.

Die Coronapandemie hat die TauberPhilharmonie natürlich ebenso hart getroffen wie viele andere Kulturhäuser. Johannes Mnich und sein Team lassen aber nicht locker. Der Virus mag sich verziehen, aber die TauberPhilharmonie und mit ihr ein Haus für die Kultur wird danach auch noch da sein.

TauberPhilharmonie

Das architektonisch interessante Konzerthaus wurde von den Münchner Architekten Henn geplant.  Foto: Hauk

Das architektonisch interessante Konzerthaus wurde von den Münchner Architekten Henn geplant. Foto: Hauk

Weikersheim geht mit der 2019 eröffneten TauberPhilharmonie einen neuen Weg. Das Haus ist nicht nur Konzertsaal, sondern auch Gemeindesaal, Mehrzweckhalle, Übungsraum und Eventlocation. Hauptmieter ist die in Weikersheim ansässige Musikakademie Jeunesse Musicales, die die Philharmonie an 120 Tagen im Jahr belegt. Das von Johannes Mnich kuratierte Kulturprogramm der TauberPhilharmonie reicht von klassischen und modernen Konzerten über Kabarett bis hin zum Kinoprogramm. Der Bau hat etwa 16 Millionen Euro gekostet, finanziert von zwei externen Quellen und mit 4,1 Millionen von der Stadt Weikersheim, die das ohne Kredit schulterte. Es gibt zwei Säle. Der Große Konzertsaal ist mehrschichtig aufgebaut. Die Innengestaltung mit 246 Eichenholzplatten sorgt für eine einzigartige Akustik.



Johannes Mnich im Interview: Ein Konzertbesuch ist sicher

ROTOUR: Sie hatten ein funktionierendes Hygienekonzept und mussten ihr Haus dennoch wieder schließen. Wie fühlt man sich da?
Johannes Mnich: Der zweite Lockdown fühlt sich für uns sinnloser an als der erste. Beim ersten wusste niemand, was das Virus macht, und man hat Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Ab 6. Juni bis Ende Oktober hatten wir Konzerte nach den geltenden Regeln und die waren alle ausverkauft. Ich hatte einen Landeszuschuss, den ich zurückgezahlt habe. Was mich am zweiten Lockdown frustriert, ist, dass alle wissenschaftlichen Studien darauf hindeuten, dass Kulturhäuser mit bestehenden Hygienekonzepten keinen Anteil am Infektionsgeschehen haben. Wir werden als Freizeiteinrichtung deklariert und geschlossen. Es ist nun mal ein faktischer Unterschied, ob man ins Bordell oder ins Konzerthaus geht.

ROTOUR: Wie sieht die Planung der TauberPhilharmonie für die nächsten Monate aus?
Mnich: Wir haben eine der modernsten Lüftungsanlagen der Welt und es besteht hier keine Ansteckungsgefahr. Ich glaube auch, dass wir im ersten Quartal 2021 wenn überhaupt, dann nur mit Abstandregeln etwas machen können. Wenn es den ersten Impfschutz gibt, mit Blick auf den Sommer, könnte es wieder normaler werden. Aber ich gehe nicht davon aus, dass wir vor Spätsommer 2021 wieder Konzerte mit nebeneinander sitzenden Menschen veranstalten. So wie wir es gewohnt waren.

ROTOUR: Ist das geplante Programm jederzeit einsatzbereit?
Mnich: Ja, wir gehen nach der Devise vor, wir machen das, was geht. Ob man nun Sachen zweimal aufführt oder verlegt – das beschäftigt uns ja seit Monaten – die Konzerte, die im Programm stehen, hoffen wir alle realisieren zu können. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Man muss da mit dem nötigen Idealismus herangehen.

ROTOUR: Experimentieren Sie auch mit digitalen Formaten um ihre Besucher zu erreichen?
Mnich: Wir haben viel im digitalen Raum gemacht, das war auch sehr erfolgreich, war aber nicht direkt Konzertkultur. Ich sehe nicht, dass der digitale Raum ein echter Ersatz für Livekultur wird. Dafür ist die Atmosphäre und das Erlebnis eines Konzerts zu besonders. Das ist vom Klang, von der Gesellschaft, von dem „Vipe“ in der Luft nicht das Gleiche.

ROTOUR: Glauben Sie, dass die Kultur Corona unbeschadet überlebt?
Mnich: Nein, leider nicht. Uns als öffentlichem Haus geht es zwar besser, aber die freien Künstler sind schwer getroffen. Das sind persönliche Schicksale, die ihr ganzes Hab und Gut einsetzen müssen. Ich kenne da einige. Bevor man in Harz IV geht, muss man seinen Flügel verkaufen. Dann ist die Lebensgrundlage erst mal weg. Es wird in der freien Szene zu massiven Einschnitten kommen. Außerdem muss man sich keiner Illusion hingeben, die Sparrunden werden kommen, wenn die Steuereinnahmen wegbrechen. Das trifft dann auch die subventionierten Häuser. Daher sollte man sich Gedanken machen, welche Rolle man als Kulturanbieter spielt, um nicht unter dem Aspekt „Ihr macht ein Programm für ganz wenige“ angreifbar zu werden

ROTOUR: Welche Rolle spielt sie denn?
Mnich: Kultur beantwortet die Frage, wie wir in der Gesellschaft leben möchten. Wenn man sein Publikum in Gänze ernst nimmt, spielt Kultur an vielen Stellen eine wichtige Rolle. Kultur kann verbinden, entzweien, Widersprüche aufzeigen oder zu Glücksmomenten führen. Wir ermöglichen, dass Menschen zusammen kommen und ein Gemeinschaftserlebnis spüren – bis dahin, dass man sich mit etwas anderem, als Fragen nach der täglichen Existenz auseinandersetzen kann.

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