Ein nachhaltiges Konzept Sep01


Ein nachhaltiges Konzept

Silvia Inglis bietet mit „Scarlett“ ausgewählte Secondhandkleidung an

Ein beiger Rock mit luftig-leichtem Tüllüberwurf, ein gemusterter Vintage-Blazer mit dreiviertel langen Ärmeln oder Cowboystiefel in hellblauem Schlangen Print – Mode wird bei „Scarlett“ ganz groß geschrieben. Was hier auf den Kleiderstangen hängt, sucht „frau“ in den großen Modehäusern vergeblich. „Vintage, Fashion and More“ ist das Motto im Secondhandladen von Silvia Inglis in Rothenburg.

Silvia Inglis hat sich mit ihrem Secondhandladen einen Lebenstraum erfüllt. Foto: am

Silvia Inglis hat sich mit ihrem Secondhandladen einen Lebenstraum erfüllt. Foto: am

Vintage ist Trend. Kaum eine Großstadt kommt ohne Läden der neuen Güteklasse aus. Wer nachhaltig leben will, repräsentiert dieses Statement auch mit seinem Outfit. Für Silvia Inglis ist der Trend jedoch nicht neu, sondern ein Herzensanliegen: Secondhandkleidung und die leidenschaftliche Schatzsuche in der Welt des Gebrauchten begleiten sie schon ein Leben lang.

Offen für das Leben
Silvia Inglis kam mit ihren Eltern vor dem Mauerfall aus dem Osten Deutschlands – mit nur einem Koffer pro Person. Über viele Stationen, darunter einige Jahre mit ihrem Exmann auf der kleinen Antilleninsel St. Luca und der Geburt ihrer Tochter Shiva (mittlerweile 16 Jahre alt) in New York, hat es sie zurück nach Franken verschlagen. Der Spaß an Flohmärkten und prinzipiell an Dingen, die eine Geschichte haben, war immer mit im Gepäck. „In meiner Wohnung gibt es nichts Neues“, erzählt Silvia Inglis.

Nach der Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau in einem Würzburger Modehaus, mit intensivem Einblick in die Schauwerbegestaltung, ihrem eigentlichen Traumberuf, hat sie mit 34 Jahren noch eine Umschulung zur Reiseverkehrsfrau gemacht und einige Jahre in dem Beruf gearbeitet. Mittlerweile ist sie als Sachbearbeiterin im Landratsamt Ansbach an drei Tagen die Woche tätig. Die restliche Zeit widmet sie sich ihrem Ladengeschäft in Rothenburg.

Endlich angekommen
Die langjährig gehegte Idee, einen Secondhandladen zu eröffnen, nahm erstmals im Jahr 2014 Gestalt an. In der Änderungsschneiderei von Mirjana Neumeister im Alten Keller in Rothenburg war ihr erster Secondhandladen integriert. Nach drei Jahren klappte die Kooperation nicht mehr und Silvia Inglis machte sich auf die Suche nach einem neuen Ladengeschäft. „Ein Jahr dauerte es, bis ich den Laden in der Galgengasse gefunden habe“, erzählt sie glücklich.

Hier wird der Kundin der rote Teppich ausgerollt: Silva Inglis möchte die Menschen mit ihrem Secondhandladen glücklich machen. Foto:am

Hier wird der Kundin der rote Teppich ausgerollt: Silva Inglis möchte die Menschen mit ihrem Secondhandladen glücklich machen. Foto: am

Hier ist es nun perfekt: Drei Schaufenster zur Präsentation der Mode, Parkplätze vor der Türe und die Miete ist erschwinglich. Seit zwei Jahren ist „Scarlett: Mode, Vintage and More“ hier unübersehbar. An den beiden geöffneten Tagen (Freitag von 10 bis 18 Uhr, Samstag von 10 bis 13 Uhr) lädt ein roter Teppich zum Eintreten ein.

Der muffige Kellerduft, der einst gebrauchter Kleidung angehaftet hat, ist längst verflogen. Bei „Scarlett“ verströmen Kerzen ihren sanften Duft, die Kleidung ist natürlich gewaschen und das Auge erfreut sich über ein klares, aber nicht steriles Ordnungskonzept. „Ordnung ist für mich ganz wichtig“, sagt die Ladeninhaberin mit Nachdruck. Etwa 2 000 Artikel hängen auf bordeauxfarbenen Kleiderbügeln mit Samtüberzug. Alles ist sortiert: Einerseits nach Farbgruppe und darin wiederum nach Größe. Es gibt rote, schwarze, blaue, cremefarbene Ständer mit Kleidern, Blusen, Shirts oder Röcken, zu deren Füßen sich die farblich passenden Schuhe finden. An einem separaten Ständer hängen die Neueingänge. Hosen sind nach Größe in Körben sortiert. Strickwaren präsentiert Silvia Inglis ebenfalls nach Größe sortiert in Schränken und Regalen, stets mit kleinen Schildern ausgepreist. In zwei geräumigen Umkleidekabinen kann alles probiert werden.

Ein Ständer mit Jacken steht vor einem wandgroßen Porträt von Scarlett O‘Hara und Rhett Buttler. „Eigentlich wollte ich meinen Laden schon immer ‚Einzigartig‘ nennen“, erzählt Silvia Inglis schmunzelnd. Nun gab es schräg gegenüber schon das gleichnamige Café und sie brauchte einen anderen Namen. So fiel die Wahl auf Scarlett, die Hauptfigur ihres Lieblingsfilms „Vom Winde verweht“.

Eine Frage treibt aber alle um: Woher bekommt sie eigentlich die tollen Modeteile? „Ich habe mittlerweile rund 450 Damen, die mir ihre Sachen bringen“, sagt sie. Darunter sind Arbeitskolleginnen, Freundinnen verschiedener Nationalitäten und viele Rothenburgerinnen, aber auch Frauen aus Creglingen und der Umgebung. „Die Jüngste, die Ware bringt, ist 11 Jahre, die Älteste über 80 Jahre alt“, erzählt sie. Silvia Inglis nimmt die Textilien, maximal fünf Teile, auf Kommissionsbasis.

Besondere Fundstücke für jeden Stil
„Ich mag außergewöhnliche Sachen“, erzählt sie. Es gibt Kundinnen, die diesen Geschmack teilen und die hat sie dann schon im Hinterkopf bei der Auswahl. Aber nicht nur das Besondere, sondern eine Auswahl für jeden Geschmack und jedes Alter bestimmen das Ladensortiment. In ein kleines Buch trägt sie spezielle Wünsche der Kunden ein. Wird ihr ein enstprechendes Teil angeboten, nimmt sie Kontakt auf.

Auch Edelmarken wie Marc Cain, Strenesse oder Escada finden sich auf den Ständern. Bei den Preisen will Silvia Inglis aber keine großen Unterschiede machen. „Für mich selbst spielen Marken keine Rolle“, sagt sie, „Wichtig ist, dass es hier alles nur einmal gibt.“

Für viele ist der Laden zum Treffpunkt geworden. „Manche Damen stöbern hier stundenlang“, so Silvia Inglis. Für sie selbst ist ihr Geschäft ein Sahnehäubchen. Mit ihrem Hauptberuf bestreitet sie die Basis ihrer Lebenshaltungskosten, der Gewinn von „Scarlett“ fließt in die schönen Dinge des Lebens, „wie essen gehen, in den Urlaub fahren, einen Ausflug unternehmen“, erzählt sie. Daher hat Silvia Inglis auch keinen Zwang zum Verkaufen. „Ich berate meine Kunden grundehrlich und sage auch, wenn etwas nicht passt“, erklärt sie. Schließlich möchte sie mit ihrem Hobby, denn das ist der Laden für sie, die Menschen glücklich machen – und zwar nachhaltig. 
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