Ein Mann mit Haltung – Thomas Roth restauriert Oldtimer und hat eine Leidenschaft für guten Kaffee Jun01


Ein Mann mit Haltung – Thomas Roth restauriert Oldtimer und hat eine Leidenschaft für guten Kaffee

Direkt an der Durchfahrtsstraße in Creglingen liegt die KFZ-Werkstatt Roth. Empfang, TÜV-Prüfstelle, zwei Arbeitsplätze mit Hebebühne. Überschaubar, könnte man meinen. Thomas Roth selbst, im Blaumann mit dunkler Hornbrille, ist immer emsig und hat meist einen lockeren Hohenloher Spruch auf der Lippe. Sympathischer Mann, könnte man meinen.
Beides stimmt, ist aber bei Weitem nicht die ganze Wahrheit. Thomas Roth ist ein Mann mit Haltung. Er sieht die Welt noch unverfälscht, stellt den Profit nicht vor die Sinnlosigkeit.
In seiner Werkstatt wird repariert, was vonnöten ist, mit einem Aufwand, der ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis widerspiegelt. „Gubi“ nennt er das. Gut und billig.
Thomas Roth ist KFZ-Meister. Seit 25 Jahren betreibt er seine Werkstatt mit drei Meistern und zwei Gesellen. Früher war hier Tankstelle, Taxiunternehmen und auch die Autowerkstatt seines Großvaters Carl Baier. Der war eine Institution in Creglingen – und Thomas Roth ist es auch.
Hinter der eher unscheinbaren Fassade des Unternehmens geht es tief hinein in die kreative Welt des Firmenchefs. Oldtimer, Kaffeemaschinen, Bravoheftchen, Musicbox und Flipper geben hier den Ton an.
Fangen wir mal mit den Oldtimern an: Thomas Roth hat schon vor 35 Jahren gerne an alten Autos herum geschraubt. „Damals dachten alle ich bin verrückt“, sagt er. Dereinst wurden die Oldtimer belächelt, heute sind die historischen Gefährte Hingucker bei jeder Ausfahrt.

Eine echte Berufung

Thomas Roth vor seiner Werkstatt: Seine Stammkunden wissen seine Geradlinigkeit zu schätzen.

Thomas Roth vor seiner Werkstatt: Seine Stammkunden wissen seine Geradlinigkeit zu schätzen.

Sein erster Oldtimer war ein Bundeswehr Jeep, den er um 10 Zentimeter verlängerte. „Ich wollte da einen Opelmotor einbauen“, erklärt er. Dann zog ein Gogomobil, ein 180 D Mercedes mit durchgehender Sitzbank und auch ein alter Kinderwagen aus der Rothenburger Fabrik in seine Werkstatt ein. Thomas Roth hat alles restauriert, auch den Kinderwagen aus Rothenburg, in dem sein Sohn Tobias die Welt entdeckte. Etwa 30 historische Autos hat er für sich selbst hergerichtet. Dazu kamen Aufträge von Kunden.

Dass er KFZ’ler werden würde war seit jeher klar. Für Thomas Roth ist das nicht nur ein Beruf, sondern wahrlich eine Berufung. Die Stunden, die er mit der Restauration verbringt, hat er nie gezählt. „Je mehr Stunden, desto mehr Spaß“, sagt er schmunzelnd.
Die Herausforderung reizt ihn. Auf Fotos zeigt er den Urzustand der Autos. Mitunter braucht man da eine echte Vision, um das anzugehen. „Learning by doing“, nennt er das. Logisch denken und immer an den Wurzeln beginnen, ist sein Credo. Neben einer besonderen Begabung gehört dazu natürlich auch jede Menge Wissen. „Wenn man alles reparieren will, muss man sehr gut sein“, stellt Roth fest, und setzt dies auch bei der Ausbildung seiner Mitarbeiter durch. Schweißen, Lackieren, Polstern und vieles mehr gehört in der Werkstatt Roth noch zur Basisausbildung.
Die Leidenschaft für Oldtimer ließ Thomas Roth nicht los und so nahm er eines Tages seine Lebensversicherung, erstand das ehemalige Molkereigebäude in Creglingen, das sich an die Werkstatt anschließt, und baute eine Hebebühne über drei Etagen ein, die die verschiedenen Ebenen als Werkstatt nutzbar macht. An der Straße finden die alltäglichen Reparaturen statt. Das scheint überschaubar. Im Inneren aber wird an den schicken Oldtimern getüftelt.
Unter den Fahrzeugen, die Thomas Roth wieder flott machte, waren auch verrückte Projekte: zum Beispiel ein Zündapp Janus, benannt nach dem doppelköpfigen römischen Gott Janus. Der Viersitzer wurde nur von 1958-60 gebaut und hat zwei Türen an Bug und Heck. Die Fondpassagiere saßen mit dem Rücken zur Fahrt­richtung. Was Thomas Roth zu einem kleinen Spaß veranlasste: er baute auf der Rückseite ein zweites Lenkrad ein und setzt eine Schaufensterpuppe an die Fahrerseite. „Wenn da ein anderer Fahrer in der Kurve aufgeschlossen hat, haben die ganz schön geschaut“, erzählt er lachend. Der Janus treibt mittlerweile sein Unwesen in England.

„Betriebsausflug“ bei der Langenburg Classic: Jeder Mitarbeiter darf ein Auto von Thomas Roth fahren.

„Betriebsausflug“ bei der Langenburg Classic: Jeder Mitarbeiter darf ein Auto von Thomas Roth fahren.

Mit seiner gesamten Belegschaft ist Thomas Roth alljährlich bei der Langenburg Classic dabei. Seine eigenen Autos kommen dabei ebenso zum Einsatz, wie die neueste Arbeit des dienst­ältesten Lehrlings. In der Ausbildung restauriert jeder Lehrling ein Auto, das er im letzten Lehrjahr an der Langenburg Classic fahren darf.
Sein Eigen nennt Thomas Roth einen NSU Prinz 3, einen 500er Fiat, einen 911 Porsche aus dem Jahr 1969, einen 914 Volksporsche von 1972, einen 356 Porsche von 1964 und einen Mercedes 230 Pagode, Baujahr 1964. Perfekt restauriert und gut gesichert sind die Autos sein ganzer Stolz. Einen Tick hat er dabei: „Die Innenausstattung meiner Autos darf nie schwarz sein“, erklärt er.
In der Oldtimerbranche ist Thomas Roth bestens vernetzt und hat auch schon einige Flugzeuge restauriert. Gemeinsame Ausfahrten sind das Salz in der Suppe, und so hat er im Mai auch die Midlife-Classic-Rallye in und rund um Rothenburg mit 20 Oldtimern aus ganz Deutschland initiiert und organisiert. Dort kam auch seine zweite Leidenschaft gut an: der Kaffee.
„In meiner Werkstatt gab es noch nie Alkohol, sondern immer nur guten Kaffee“, erzählt Tomas Roth. Also sind seine Kaffeemaschinen immer besser geworden. Stunden verbringt Roth damit, die beste Röstung und Maschineneinstellung auszutüfteln und holt sich auch Barista-Experten zur Schulung ins Haus.
Unter Freunden und Bekannten hat sich längst herum gesprochen, dass man im Hause Roth sehr guten Kaffee bekommt. Ein Obuls dafür wandert in eine Spendenbox, die Thomas Roth der Stadt Creglingen dann für gemeinnützige Arbeiten, zum Beispiel einen neuen Anstrich des Brückengeländers, zur Verfügung stellt.
Natürlich hat er auch bei den Kaffeemaschinen ein Faible für Oldtimer. Diverse Geräte hat er res­tauriert, darunter eine Faema E 61, „die Kaffee­maschine schlechthin“, und eine Electra Belle Epoque, eine Handarbeit aus Treviso und in glänzendem Messing „der absolute Hingucker“.

Kaffee direkt von der „Biene“
Mit der Electra hatte Thomas Roth besonderes im Sinn. Er besorgte sich aus Italien eine alte, Ape (Biene) des italienischen Herstellers Piaggio. Er hat sie zerlegt, sandgestrahlt, Wassertanks aus Edelstahl zur Kaffeezubereitung und einen Elektromotor eingebaut. Dann entwickelte er einen Aufbau aus Stahl, der geöffnet wird und somit ein fahrbares Kaffeemobil ergibt. Transportiert wird die Ape im zugehörigen Kleinlaster.
„Tommy’s Expresso Bar“, nennt er seine Kaffeebar, die für einen Festpreis für Veranstaltungen oder Messen buchbar ist. Bei Stahlgruber in Würzburg, an der Langenburg Classic, am Jubiläum der Firma Würth oder an der Reutsächser Steige im Rahmen der Midlife-Classic-Tour (Titelbild) war Thomas Roth mit seiner Frau Martina und Sohn Tobias im Einsatz. Ach ja, und das „x“ in „Expresso Bar“ ist kein Schreibfehler. „Kein Hohenloher sagt Espresso. Alle sprechen das mit x“, so Roth.
Aufmerksame Leser warten nun noch auf die Auflösung von Bravoheftchen, Flipper und Co.. Im Dachgeschoss seiner Werkstatt hat Thomas Roth einen Aufenthaltsraum mit diversen „Zeitzeugen“ eingerichtet. Mehrere Schulbänke, die gute alte Bravo, das Bonanzafahrrad mit Fuchsschwanz, ein Filmprojektor der 50er Jahre und Hunderte weiterer Gegenstände (natürlich alle funktionsfähig) nehmen interessierte Besucher mit auf eine Zeitreise. Thomas Roth liegt es am Herzen, diese Dinge vor dem Vergessen zu bewahren. „Die Singles in der Musicbox hat schon einer für schwarze CD’s gehalten“, erzählt er beinahe ungläubig. am