Ein Leben auf der Überholspur Mrz03


Ein Leben auf der Überholspur

Frank Flörchinger hat zugegriffen, wenn das Leben Neues bereit hielt

Auf die Minute genau kommt Frank Flörchinger zum Interview. „Ich bin ein Pünktlichkeitsfanatiker“, sagt er mit einem sympathischen Lächeln. Und er verschwendet keine Zeit mit banalem Smalltalk. Innerhalb weniger Sekunden sind wir mitten in seinem Leben angekommen. 52 Jahre ist er alt, und „wenn es jetzt aus wäre, dann hätte ich schon zweieinhalb Leben gelebt“, meint er.

Frank Flörchinger im Bryce Canyon. Die USA hat er viele Male bereist. Fotos: privat

Frank Flörchinger im Bryce Canyon. Die USA hat er viele Male bereist. Fotos: privat

Sein Blick richtet sich fokussiert auf den Gesprächspartner, die Antworten kommen blitzschnell. Es gibt Menschen, die geben 100 Prozent, bei Frank Flörchinger sind es 1 000 Prozent. Dass er unter Strom steht ist ihm klar, und dass das mitunter Raubbau ist, auch. Aber wenn er zurückblickt, bereut er nichts.

Geprägt von Rothenburg
Frank Flörchinger ist Rothenburger. Seine Eltern Christel und Egon Flörchinger sind vielen durch ihre Puppenmanufaktur, das Andenkengeschäft und ihr Hotel bekannt. Das internationale Flair der Tauberstadt, die ausländischen Gäste, die kulturellen Eindrücke und die vielen Sprachen begeisterten Frank Flörchinger schon immer. „Ich hab bereits in jungen Jahren über den Tellerrand geblickt“, erinnert er sich. Für das Geschäft seiner Eltern hat er als Abiturient Mietverträge mit der Messe in New York ausgehandelt oder eine eigene Produktion in Asien organisiert. An Selbstbewusstsein hat es dem jungen Mann nicht gemangelt.

„Ich habe immer gejobbt“, sagt er. Bei den Eltern im Laden oder in den Ferien am Bau. Das war hart, hat ihm aber viel Lebenserfahrung gebracht. Wochenlang war er dann in den Sommerferien mit dem selbstverdienten Geld in Asien unterwegs. „Damals gab es noch keine Kommunikation wie heute. Ich war sozusagen verschollen“, erinnert er.

Von den Wellen angespült
Nach dem Abitur ging er zur Bundeswehr und machte danach eine Banklehre bei der Rothenburger Volksbank. Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass das wohl nicht das Richtige für ihn war. Er zog danach noch einmal für ein Jahr in die Welt hinaus. Thailand, Indonesien, das Elend an den Bahnhöfen in Java, Tote am Straßenrand – all das hat ihn geprägt. In Bali versuchte er sich im Wellenreiten und „das war ein einschneidendes Erlebnis in meinem Leben“, so Flörchinger. Er ist ertrunken, wurde an den Strand gespült und dort wiederbelebt.

„Danach war ich erst mal sehr ruhig und in mich gekehrt“, erinnert er sich. Bis dahin habe er menschliche Ressourcen sehr egoistisch eingesetzt, gibt er offenherzig zu. Er hat sein Leben hinterfragt, kam zurück und studiert in Würzburg Diplom Psychologie mit Ausrichtung auf Arbeits- und Betriebspsychologie, allerdings nur fünf Semester. Als Freigeist kam er schnell in Konflikt mit den verkrusteten Strukturen des Uni-Betriebs. „Ja, es ist schade, dass ich das Studium nicht abgeschlossen habe. Aber zu dem Zeitpunkt war es die richtige Entscheidung“, ordnet er rückblickend die Situation ein.

Gründung der eigenen Firma
Auch während des Studiums hat er immer gejobbt. „Ich bin stets die Treppe hinauf geschmissen worden“, erzählt er. Eine klassische Bewerbung hat er nie geschrieben, auch nicht für seine Anstellung als Bereichsleiter neue Medien im Expansionsteam und im Pilotprojekt „Computerwelt“ der Saturn-Media-Gruppe.

Er zog dafür nach Aschaffenburg, wo er dann drei Jahre später (2001) seine eigene Firma „Melange Gmbh“ gründete. Begeistert von den neuen Technologien des Computerzeitalters hat er IT-Promotion für die Großen der Branche wie Sony, Samsung, Microsoft und Intel angeboten. Dazu kamen Messe- und Veranstaltungsbetreuung und später auch Aufträge und Tourneebetreuungen für die Musikindustrie. „Was man da erlebt, kann sich niemand vorstellen“, sagt Flörchinger.

Auf ein Projekt aus dieser Zeit ist er besonders stolz: Gemeinsam mit Naoki Kenji hat er den Film „Brahmand – Facing the World“ produziert. Der kunstaffine Dokumentarfilm stellt der Natürlichkeit der Erde, aufgenommen in 16 Ländern, die Auswirkungen durch den Einfluss der Menschheit gegenüber. Er kommt ohne Worte aus. „Wir haben den Film bei einer Tournee in Bildungseinrichtungen und Stadthallen vor allem unter Jugendlichen gezeigt“, so Flörchinger.

Technikaffin wie er war, hat er auf der IFA in Berlin gerne die neuesten Kameras getestet.

Technikaffin wie er war, hat er auf der IFA in Berlin gerne die neuesten Kameras getestet.

Er selbst beschreibt sich in dieser Zeit, die etwa 20 Jahre währte, als „durchgeknallten Workaholic“. Er hat sieben Tage die Woche gearbeitet, täglich mindestens 18 Stunden. „Von Donnerstag bis Montag habe ich oft durchgearbeitet“, erzählt er. Ohne jeglichen Schlaf. Seine 1 000 Prozent Einsatz sind Segen und Fluch zugleich. „Die Herausforderung des Auftrags und mein hoher Anspruch haben mich immer gekickt“, so Flörchinger. Außerdem sei es für einen Selbstständigen auch schwer ‚Nein‘ zu sagen, merkt er an. Für die Unternehmen war einer wie er der perfekte Partner. Immer im Einsatz, zuverlässig und mit einem eigenen Anspruch, der höher ist als der des Auftraggebers.

Frank Flörchinger war als Serviceleiter der Feinkostfirma Käfer zuständig für den FIFA Confederation Cup 2005 in Athen und hat internationale Großveranstaltungen der DTM oder Formel 1 betreut. Er hat selbst Videos für VIVA und MTV aufgenommen und war bei Musiktourneen in Japan und Argentinien im Einsatz. „Ich habe damals die Kerze an beiden Enden und in der Mitte angezündet“, so seine Beschreibung.

International im Einsatz
Dann passierte etwas unerwartetes: Während er auf der Japan-Tournee war wurde in seiner Firma in Aschaffenburg eingebrochen und die Konten abgeräumt. Durch seine Abwesenheit hat er es zu spät bemerkt, ein Rechtsstreit folgte und er hätte Insolvenz anmelden müssen. „Das wollte ich auf keinen Fall, also habe ich zwei Jahre wie verrückt gearbeitet und alle Schulden abbezahlt“, sagt er.

Genau zur richtigen Zeit kam dann ein Anruf von Intel und ein Jobangebot in München. „Das hat mich vom Workaholic-Trip heruntergeholt“, erinnert er sich. Der 70-Stunden-Job im Bereich Consulting hat sich wie ein Spaziergang angefühlt. Er war unter anderem als Trainer und Berater für das Intel Learning Series Projekt (ILS) im Großraum Europa, mittlerer Osten und Afrika zuständig. Dazwischen war er auch für Microsoft als interner und externer, bundesweiter Ansprechpartner für Einzelhandel und Reseller im Einsatz und hat Bill Gates in den USA getroffen.

Seine Schlafprobleme bestanden aber immer noch. „Ich konnte manchmal vier bis fünf Tage keine Minute schlafen“, erzählt er. Dass Schlafentzug eine Foltermethode ist, sei für ihn nachvollziehbar, denn man möchte irgendwann nur noch, dass es aufhört. Als er sich vor vier Jahren auf einer Messe dann noch einen aggressiven Virus-Infekt einhandelte, aber nicht kürzer trat, hat sein Leben die vielleicht bedeutendste Wendung erhalten.

„Mir hat es komplett die Füße weggezogen“, so Flörchinger. Ein Martyrium über zwei Jahre folgte: mehrere Operationen waren nötig, bis ein Arzt den Ursprung der Schmerzen fand. Seitdem geht es bergauf. „Meine Gesundheit hat sich eingepegelt“, so Flörchinger. Noch immer muss er konsequent Ruhephasen einhalten und seinen Schlafrhythmus finden. Frank Flörchinger lebt seit sieben Jahren in Rothenburg und ist verheiratet. Als Projektmanager (in Teilzeit) bringt er sein Wissen beim Sicherheitsdienst Gundel & Böhm in Insingen ein.

Bereits seit den 90er Jahren ist er Taucher aus Leidenschaft. Flörchinger ist ausgebildeter Rettungstaucher und Master Diver. „Das Tauchen ist die beste Möglichkeit um abzuschalten“, sagt er. Weil er um den vielfältigen Nutzen des Tauchsports weiß, baut er aktuell bei Gundel & Böhm eine Tauchabteilung für Mitarbeiter auf. „Das soll ein kostenloses Angebot für unsere Leute sein“, so Flörchinger. Ein bis zweimal im Monat soll der Tauchkurs stattfinden.

Trotz einem Leben auf der Überholspur sieht er sich weder als Perfektionisten („Perfektion ist utopisch, aber mein Anspruch sehr hoch“) noch als Extremfreak. „Die Bodenhaftung war immer da“, ist er sich sicher. Ein willkürliches Risiko ist er nie eingegangen. am