„Diwer mer Jenisch?“ Okt01


„Diwer mer Jenisch?“

Markus Löschel (links) und Johannes Munique vor dem Museum zur Jenischen Sprache. Mit dabei ist auch „Keiloff“ Fanny. „Keiloff“ ist das jenische Wort für Hund. Und auch der Igel spielt in der Sprache eine große Rolle. Foto: am

Markus Löschel (links) und Johannes Munique vor dem Museum zur Jenischen Sprache. Mit dabei ist auch „Keiloff“ Fanny. „Keiloff“ ist das jenische Wort für Hund. Und auch der Igel spielt in der Sprache eine große Rolle. Foto: am

Die Geheimsprache „Jenisch“ hat ein eigenes Museum in Schillingsfürst

Blamb, Beiz, Duftschaller oder Gleisitrampelmarodipink – keine Ahnung was das soll? So ging es vielen. Denn die Jenischen wollten nicht verstanden werden. Sie hatten ihre „Geheimsprache“.

In Schillingsfürst soll sich das Jenisch erhalten. Dafür kämpfen Markus Löschel und Oliver Munique. Im Sommer haben sie das „Museum zur Jenischen Sprache“ im Theaterchen des Doerfler-Museums eröffnet. „Wenn wir jetzt nicht handeln, geht die Sprache verloren“, macht Munique mit Nachdruck deutlich.

Spaß an der Gaunersprache
Die beiden sind Schillingsfürster mit Herzblut und nach eigener Auskunft „tertiäre“ Jenisch-Sprecher: Das bedeutet, ihre Kenntnisse stammen weitgehend aus Büchern. Kontakt zu Muttersprachlern hatten sie keinen mehr. Ihren Wissensdurst stillen sie aber mit allen Infos, die zur Verfügung stehen. Sie können locker im Jenischen parlieren, haben Sketche parat, ein Buch verfasst, das noch vor Weihnachten erscheinen soll, einen Comic geschrieben und nun ein Museum realisiert. Die Jenischen wären sicher stolz auf sie.

Beliebt war diese ethnische Gruppe, die etwa Mitte des 18. Jahrhunderts nach Schillingsfürst kam, aber nicht. Jenisch ist die Sprache des fahrenden Volk der Wanderarbeiter, Schausteller oder Hausierer. Das waren arme Leute, die sich durchschlagen mussten. Ihre Sprache war daher stigmatisiert als Gaunersprache.

Negativ besetzt war auch die Verbindung zwischen dem Igel und den Jenischen. Die Menschen wurde als „Igelfresser“ betitelt. Das stachelige aber sympathische Tier diente den armem Leuten als Nahrungsmittel. Aber es schmeckte auch so manchen Schillingsfürstern, wie in der Ausstellung zu erfahren ist.

Der Igel, auf Jenisch „Stupfl“, ist in Schillingsfürst mittlerweile zu einem positiven Symbol geworden. Daher startet das Museum auch mit einer kleinen „Stupfl“-Hommage: Im Eingang hängt neben der „Stupfl“-Medaille, die der ortsansässige Karnevalsverein „Frankemer Stupfl“ verleiht, ein Helm der Feuerwehr mit Igel drauf, T-Shirts und sogar eine Boxershort mit „Stupfl“-Aufdruck. „Wir sind stolz auf den Igel und viele Schillingsfürster haben einen Igelaufkleber am Auto“, so Löschel.

Im Hauptraum des kleinen Museums geht es dann tief in die Geschichte hinein. Löschel und Munique haben aber keine wissenschaftlich-sterile Ausstellung konzipiert, sondern eine allgemein verständliche und kurzweilige. Löschel ist Lehrer an der Berufsschule und Texter, Regisseur und Akteur bei den „Frankemer Stupfl“. Munique ist Realschullehrer i.R. und Führer im Schillingsfürster Schloss. Die beiden haben also Erfahrung in der Vermittlung von Inhalten – und die passenden Verbindungen.

Sie konnten den Rothenburger Karikaturisten Robert Hellenschmidt für ihre Idee gewinnen. Der Künstler hat zwölf Themen extra für die Ausstellung zeichnerisch umgesetzt und mit jenischen Sprechblasen versehen. Da die meisten Besucher vor unlösbaren Rätseln stehen, gibt es im Museum natürlich die entsprechenden Übersetzungen. Auch alle Arbeiten im Museum, vom neuen Boden über die Wandfarbe bis hin zur Beleuchtung haben Löschel und Munique mit der Unterstützung von Freunden und Spendern realisiert.

Didaktisch und optisch auf dem neuesten Stand können Besucher eintauchen in die Welt und die Sprache des fahrenden Volks. Das Museum leitet durch einzelne Stationen: Wie kam das Jenische nach Schlilligsfürst, wann ist die Sprache entstanden, wo liegen die Wurzeln und warum verschwand die Sondersprache wieder?

Tischlein deck‘ dich auf jenisch: Die Sondersprache des fahrenden Volks ist seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen. Zum Teil deckt sich der Wortschatz mit dem Rotwelschen, bedient sich aber auch sogenannter Spendersprachen. Foto: am

Tischlein deck‘ dich auf jenisch: Die Sondersprache des fahrenden Volks ist seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen. Zum Teil deckt sich der Wortschatz mit dem Rotwelschen, bedient sich aber auch sogenannter Spendersprachen. Foto: am

Der Kombination von Fotografien und Textpassagen stehen praktische Gegenstände gegenüber. Auf Tafeln erfährt der Besucher, dass Fürst Karl-Albrecht zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst den „Colonisten“ um 1758 die Möglichkeit zur Ansiedlung gab. Einzige Bedingung war, dass sie katholisch waren. „Wie viele Menschen damals kamen, ist ungewiss. Sicher ist, dass so die jenische Sprache zu uns kam“, erklärt Markus Löschel.

Unter einigen der Tafeln steht ein Tisch mit alltäglichen Lebensmitteln und Objekten wie Lechum (Brot), einem Blambterminsel (Bierkrug) oder einer Gleisnolla (Milchkanne), die in jenischer Sprache beschriftet sind. Bereits 1450 wird die Sprache in den Basler Betrügnissen erwähnt, explizit als Jenisch wird sie erstmals 1716 in der Schwäbischen Diebesliste bezeichnet.

Löschel und Munique erklären in der Ausstellung die Wurzeln des Jenischen, einer Sondersprache. Der Wortschatz bedient sich unter anderem am Jiddischen, Französischen oder Lateinischen. Jenisch ist keine Schriftsprache, es existiert keine Grammatik und sie wurde nur mündlich überliefert.

Interaktive Wortfindung
In Schillingsfürst wird Jenisch seit den 1950er Jahren nicht mehr gesprochen. Es gab aber noch sekundäre Sprecher, die ihr Wissen von Muttersprachlern hatten. Dazu zählen der Volksschullehrer Heiner Föttinger, der Jenisch in der Schule unterrichtete, und Ludwig Doerfler, der Hausherr des Museums. Ihm zu Ehren haben Löschel und Munique Teile seiner Gemälde auf kleine Tafeln übertragen, die an einer Wandseite interaktiv angebracht sind. Wenden die Besucher die Tafeln, so erscheinen die jenischen Begriffe für die dargestellten Objekte.

Die beiden Initiatoren beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit der jenischen Sprache. Seit den 50er Jahren werden auch immer wieder wissenschaftliche Arbeiten über die Sondersprache verfasst. In einer Vitrine zeigen sie den aktuellen Stand.

„Wir machen das aus Interesse an unserer Heimat“, betonen beide.­ Das Museum soll daher auch weiter wachsen. Eine Audiostation mit gesprochenen Texten ist angedacht, das Buch „Schillingsfürster Jenisch“ (u.a. mit 100 vollständigen Sätzen auf Jenisch) erscheint demnächst und je nach Zeitrahmen bieten sie Führungen für Schulklassen an. Und wer noch immer rätselt, was Blamb, Beiz, Duftschaller oder Gleisitrampelmarodipink bedeutet, hier die Auflösung: Bier, Wirtshaus, Lehrer und Tierarzt. am

„Museum für Jenische Sprache“ im Theaterchen des Doerfler-Museums in Schillingsfürst. Geöffnet im Rahmen der Museumsöffnungszeiten von Mittwoch bis Sonntag und an Feiertagen von 12 bis 18 Uhr.