Die Hüter der Grenzen Sep01


Die Hüter der Grenzen

Die Rothenburger Feldgeschworenen üben das älteste Ehrenamt aus

Grund und Boden sind die Basis des Lebens. Wer dereinst einen Acker besaß, der konnte Tiere darauf weiden oder Getreide anbauen. Dieser Grund war wertvoll, jeder Zentimeter davon. Die Hüter dieser Grenzen sind seit Jahrhunderten die Feldgeschworenen.

Die Tätigkeit des Feldgeschworenen ist das älteste kommunale Ehrenamt. Wo der Ursprung liegt, ist nicht genau überliefert. In Franken gibt es aber seit Jahrhunderten Aufzeichnungen, zum Beispiel Siebenerordnungen, die Regeln, Pflichten und die Verschwiegenheit (das große Geheimnis des Ehrenamts) regeln. Neben der Bezeichnung Feldgeschworener werden die Vertreter auch Siebener, Steiner, Umgänger genannt.

Die Rothenburger Siebener: Klaus Hanselmann, Obmann Christian Korn, Fritz Nied, Reiner Wiegner, Elke Hardung, Karlheinz Mönikheim (es fehlt der kürzlich verstorbene Gerhard Hochbauer).

Die Rothenburger Siebener: Klaus Hanselmann, Obmann Christian Korn, Fritz Nied, Reiner Wiegner, Elke Hardung, Karlheinz Mönikheim (es fehlt der kürzlich verstorbene Gerhard Hochbauer).  Foto: Privat

Heute sind etwa 27 000 Feldgeschworene in Bayern tätig – allein zwei Drittel davon in den fränkischen Landesteilen. Besondere Bedeutung erlangten die Siebener in Franken durch die dörfliche Siedlungsstruktur. Aufgrund der vielen Flurstücke mussten die Grundstücksgrenzen immer neu gesetzt und überprüft werden. Jedes Dorf hatte daher seine eigenen Feldgeschworenen. Die Feldgeschworenen Vereinigung im Altlandkreis Rothenburg ist eine Gruppe von 180 Siebenern, die sich auf 41 Ortschaften verteilen. Mittlerweile sind sogar drei Frauen darunter. Jedes einzelne Siebenerkollegium hat einen Obmann.

Ein würdevolles Amt
Obmann der gesamten Feldgeschworenen Vereinigung Rothenburg ist Helmut Schwemmbauer aus Birkach bei Windelsbach. „Das Ehrenamt gibt es neben Bayern nur noch in der Pfalz und in abgeschwächter Form in Hessen“, so Schwemmbauer. Die Bezeichnung Siebener lässt darauf schließen, dass es immer sieben Feldgeschworene in einem Ort sein müssen. „Das ist nicht zwangsläufig so“, erklärt Schwemmbauer. Mancher Ort hat nur fünf, ein anderer dagegen 11 Feldgeschworene. Mittlerweile bestimmen die jeweiligen Gemeinden die Anzahl.

„Wir Rothenburger Feldgeschworenen sind aber genau sieben“, stellt Fritz Nied fest, der seit 2003 Feldgeschworener in Rothenburg und ebenso Schriftführer und Kassier der Feldgeschworenen Vereinigung ist. Er ist der erste Siebener in Rothenburg, der nicht aus der Landwirtschaft kommt. Der Strukturwandel macht sich auch in dem Ehrenamt bemerkbar.

Da früher jedes Dorf seine Feldgeschworenen hatte, waren das die angesehenen Bauern. Sie wussten nicht nur Bescheid über die Besitzverhältnisse, sondern wurden auch von den jeweiligen Fürsten respektiert. Mit dem Setzen der Grenzsteine sorgten sie für den Bestand der Gemarkungsgrenzen und somit für die Bewahrung der Einnahmen der Fürstenhäuser.

„Wenn Grenzsteine unberechtigt versetzt wurden, gab es drakonische Strafen“, erkärt Helmut Schwemmbauer. Der Delinquent wurde so weit eingegraben, dass nur der Kopf herausragte. Dann wurde er überackert. Also ein Todesurteil.

In früheren Zeiten wurde das Ehrenamt meistens vererbt und noch heute wird ein Feldgeschworener auf Lebenszeit vereidigt. „Da kannst du nicht mehr raus oder entlassen werden“, so Fritz Nied. Stirbt einer der Siebener, wird innerhalb der Gruppe ein Nachfolger eruiert und dieser angefragt. „Das ist eine Ehre, da lehnt keiner ab“, stellt Nied fest.

Sein Großvater war Siebener, er selbst war 41 Jahre lang Fahrer der Rothenburger Oberbürgermeister und hat mehrere Ehrenämter inne. Feldgeschworene müssen einen einwandfreien Leumund haben, schließlich geht es nicht nur um die Festsetzung von Grenzen, sondern auch um die Bewahrung eines Jahrhunderte alten Geheimnisses – daran hat sich bis heute nichts geändert.

In früheren Jahren haben die Feldgeschworenen selbst die Grenzen vermessen. Seit zu Beginn des 19. Jahrhunderts die staatliche Landvermessung eingeführt wurde, arbeiten sie mit den Vermessungsbehörden zusammen. Wird ein Grundstück verkauft, ein neues Baugebiet ausgewiesen oder Grenzen ändern sich, dann ist heute der erste Ansprechpartner die zuständige städtische Behörde oder das Vermessungsamt. „Von dort bekommen wir Bescheid“, so Fritz Nied. Das Vermessungsamt macht die digitale Arbeit, die Feldgeschworenen setzen den Grenzstein. „Das Vermessungsamt darf keine Steine setzen“, erklärt Helmut Schwemmbauer.

„Mindestens zwei Feldgeschworene sind vor Ort“, beschreibt Fritz Nied einen Einsatz. Ein heutiger Grenzstein hat an der Oberfläche eine Größe von etwa 12 mal 12 cm, in die Tiefe ragt er bis zu 60 cm. „Da man im Rothenburger Gebiet schon nach ca. 50 cm Tiefe auf Gesteinsschichten trifft, ist es nicht immer einfach, die entsprechenden Löcher zu graben“, so der Feldgeschworene.

Unter den Steinen befindet sich dann das sagenumwobene Siebenergeheimnis. Von altersher sind das geheime Zeichen, die in einer bestimmten Anordnung gelegt werden, die nur dem Siebenerkollegium bekannt ist. An der Oberfläche sichtbar ist nur der Steinquader und in der Flur ein Stück einer Dachlatte, die mit roter Farbe gekennzeichnet ist.

Es sind aber nicht nur Flurgrenzen, die heutige Siebener kennzeichnen. Fritz Nied erzählt von Vermessungen im Stadtbereich Rothenburg, beispielsweise bei der Gehsteigverlegung. Auch hier kommen die Feldgeschworenen zum Einsatz. Das Zeichen ist eine genau zum Punkt an der Gehsteigkante zulaufende Einkerbung. Besteht nicht die Möglichkeit, Steine neu zu setzen, dann werden auch sogenannte Vermessungsnägel eingeschlagen.

Der Einsatz der Feldgeschworenen ist vielfältig. „Etwa zehnmal im Jahr werden wir gerufen“, erzählt Fritz Nied. Die Ehrenmänner rücken dann sowohl mit Hacke und Schaufel an, als auch mit schwerem Gerät. Bei der Vermessung des Gewerbegebiets Ost in Rothenburg vor einigen Jahren mussten mehrere Hundert Grenzsteine gesetzt werden. „Das machen wir dann mit Erdbohrer und Traktor“, sagt Nied.

Ein wichtiger Einsatz der Feldgeschworenen ist auch der etwa alle drei Jahre stattfindende Grenzgang. Gemeinsam mit den Kollegen von Neusitz, Gebsattel, Gattenhofen und Steinsfeld kontrollieren die Rothenburger Siebener, ob noch alle Grenzsteine unverrückt sind. Das Feldgeschworenenwesen in Bayern wurde 2016 in die Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen.
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