Der Fisch der Franken Nov01


Der Fisch der Franken

Der Karpfen hat Tradition

Der Karpfen und der Franke, das ist eine unerschütterliche Verbindung. Brechen die Monate mit ‚r‘ an, also von September bis April, dann beginnt die Hochzeit des Fisches. Jedes Gasthaus, das etwas auf sich hält, hat gebackenen Karpfen, Karpfenfilet oder -knusper, und manchmal auch die „blaue“ Version des Fisches auf der Speisekarte. Ab Mai ist wieder Schluss damit. Kein Franke rührt den Karpfen dann noch an. Es sei denn er ist Teichwirt.
Franken und besonders der Aischgrund sind neben der Oberpfalz die Hauptzuchtgebiete des Karpfens in Deutschland. In Rothenburg hat sich dieser Aufgabe auch der Bezirksfischereiverein verschrieben. Mit etwa 120 passiven und 200 aktiven Mitgliedern, also Anglern, muss der Verein für Vielfalt in seinen Gewässern sorgen. Also fungiert er auch als Teichwirt. Eine Seltenheit unter den Fischereivereinen.

Die Karpfenbrut kauft der Verein bei einem Züchter in Leutershausen. „Auf einen Teelöffel gehen gut 1 000 geschlüpfte Karpfen“, erklärt Theo Hauer, erster Vorstand des Vereins. Diese Miniaturfische kommen dann in den Aufzuchtteich in Neusitz. Der im Jahr 1900 gegründete Verein hat ab 1968 eine eigene Seenanlage mit Vereinsheim in Neusitz gebaut, die mittlerweile fünf Weiher umfasst.

Bei der Aufzucht kommt es auf das Detail an. „Es muss zur richtigen Zeit genügend tierisches Plankton im Wasser sein“, erläutert Dirk Richter, zweiter Vorsitzender des Vereins. So ein Minikarpfen ernährt sich nämlich von Wasserflöhen und Kleinstlebewesen. Etwa nach vier Wochen geben die Fischkenner feingemahlenes Weizenschrot als Futter dazu.

Theo Hauer (links) und Dirk Richter vom Bezirksfischereiverein Rothenburg kontrollieren am Lindleinsee regelmäßig, ob es den Karpfen gut geht. Foto: am

Theo Hauer (links) und Dirk Richter vom Bezirksfischereiverein Rothenburg kontrollieren am Lindleinsee regelmäßig, ob es den Karpfen gut geht. Foto: am

Nach einem Jahr sind die Karpfen dann gerade mal so groß wie ein Finger und wiegen etwa 30 Gramm. „Von 30 000 Karpfenbrut-Tieren ernten wir nach einem Jahr zwischen 5 000 und 15 000 Exemplare“, so Theo Hauer. Im späten Frühjahr, denn das ist die Zeit zum Umsetzen, geht es für diese Fische weiter in den nächsten Teich. „Sie werden gefüttert und haben im Alter von zwei Jahren ein Gewicht von 400 bis 600 Gramm, wenn die Witterung mitspielt“, so Richter. Die Karpfen mögen es nämlich gerne warm.

Der Bezirksfischereiverein setzt seine zweijährigen Karpfen dann in den großen Lindleinsee um, den der Verein von der Stadt Rothenburg gepachtet hat. „Etwa 2 500 Karpfen werden eingesetzt“, erklärt Dirk Richter. Gemeinsam mit anderen Artgenossen wie Hechten, Schleien und Weißfischen leben sie hier in Einklang mit der Natur. „Wir füttern nichts zu“, so die Vereinsvorsitzenden.

Zum natürlichen Ökosystem gehören aber auch Vögel, die ähnlich wie der Franke (und zum Leidwesen der Teichwirte) den Karpfen ebenfalls mögen. Im Oktober wird der große Lindleinsee dann traditionell abgefischt. „Wir ernten dabei rund 1 600 Karpfen“, sagt Theo Hauer.

Geduld bei der Aufzucht
Die Tiere gehen danach aber nicht in den Verkauf, sondern werden in die Gewässer des Vereins, drei Angelseen bei Neusitz, zwei bei Windelsbach und in den Clonsbach bei Leutershausen eingesetzt. „Sollte mal ein Überschuss dabei sein, dann verkaufen wir die Fische an andere Vereine“, erklärt Dirk Richter.

Bis ein Karpfen auf den Teller kommt, ist er durch viele Hände gewandert. An dieser Art der Aufzucht hat sich über die Jahrhunderte nichts geändert. Der älteste Beleg über die Existenz des Karpfens in Rothenburg stammt aus einem Gerichtsbuch von 1395, das im Stadtarchiv liegt. Archivar Dr. Florian Huggenberger vermutet, dass es dabei um das Begleichen von Geldschulden ging. Der Karpfen taucht regelmäßig in den Büchern der Stadt auf und 1456/57 auch im Rechnungsbuch des Deutschordens. Interessant der Zusatz der Weiterverarbeitung: „12d für 6lb Carpfen siden, backen“. Auch Rothenburgs berühmter Bürgermeister Heinrich Toppler hat den Fisch geschätzt. Ob er ihn gerne gegessen hat, ist nicht überliefert, aber er hat schon damals seine Wirtschaftskraft erkannt.

Ludwig Schnurrer schreibt in seinem Aufsatz „Heinrich Toppler als Wirtschafter, oder: Wie wird man reich im Mittelalter“ (in „Die Linde“, August 2009, S. 58 ff.), dass die Fischzucht und Teichwirtschaft um 1400 einen „rasanten Aufschwung“ erlebte. Rothenburg hatte als Reichsstadt viele Einwohner und eine Fülle geistlicher Institutionen. Fast drei Monate dauerte damals die gesamte Fastenzeit und der Fisch ersetzte das verbotene Fleisch.

Bürgermeister Toppler, ein schlauer Unternehmer, erwarb 14 Seen im Gebiet Rothenburg und in seinen Großhöfen und legte dort Fischteiche an. Sogar im Wassergraben rund um sein „Vestlein im Rosental“, heute bekannt als das Topplerschlösschen, wuchsen Karpfen- und Hechtsetzlinge heran.

Karpfen als Gastgeschenke
Überliefert ist, dass Toppler bereits 1398 aus seinem See zwischen Speyerhof und Schönbronn 920 Karpfen und 400 Hechte gefischt hat. 1402 hat er Fische im Wert von 55 Gulden nach Ansbach verkauft.

Mit dem Karpfen war also Geld zu machen. Und das brauchte die Stadt auch. Damals war der Besuch eines Kaisers eine große Sache und kostete einiges. Es genügte nicht, dass der Herrscher und sein Gefolge bewirtet wurden, sie wurden auch noch beschenkt. Im Jahr 1474 kam Kaiser Friedrich III. nach Rothenburg. Im Huldigungsbuch wurden die Geschenke festgehalten. Ebenfalls Ludwig Schnurrer hat 1974 einen Aufsatz darüber geschrieben („Der Kaiser kommt nach Rothenburg“, Jahrbuch 1974/75 des Vereins Alt Rothenburg, S. 16 ff.). Der Kaiser selbst hat neben prunkvollen Gefäßen, Wein und Hafer auch vier Zentner Karpfen geschenkt bekommen. Aus seiner Gefolgschaft bekamen außerdem der Erzbischof aus Mainz einen Zentner Karpfen, der Bischof aus Eichstätt 80 Pfund und der Herzog von Bayern ½ Zentner. Letzterer war übrigens gar nicht zufrieden mit dem Geschenk. Insgesamt wurden beim Kaiserbesuch 9 ½ Zentner Karpfen und 4 ½ Zentner Hechte verschenkt.

Der große Lindleinsee wird jedes Jahr im Herbst abgefischt – und manchmal gab es dabei schon den ersten Schnee. Foto: Privat

Der große Lindleinsee wird jedes Jahr im Herbst abgefischt – und manchmal gab es dabei schon den ersten Schnee. Foto: Privat

Der Karpfen kam aber nicht nur beim Adel und den Würdenträgern gut an, er war auch bei der Bevölkerung beliebt. Dr. Florian Huggenberger zeigt eine Fischordnung mit Preisliste aus dem Jahr 1623. Die Fische durften nur unter Aufsicht am Fleischhaus verkauft werden. Außerdem gab es regulierte Abgabemengen, es sei denn ein Bürger hatte eine „Gastung, Hochzeit oder Kindttauf“. Auch der Preis war geregelt: „Ein Karpfen so pfündig und was drüber ½ Ort (Anm.: entspricht ¼ Gulden)“.

Winterquartier in der Stadt
Der Karpfen gehörte zum Alltag dazu. In Rothenburg sind noch heute Fischkästen und -winterungen zu sehen (z.B. am Herterichbrunnen oder am Plönlein). Seit 1819 bewirtschaftete die Stadt ihre Weiher (damals in Hornau, Schlosssee, Tiefensee, großer und kleiner Lindleinsee und gepachteter Wildenhofsee) selbst. 1843 wurde der Lindleinsee trocken gelegt (aus „Festschrift 100 Jahre Bezirksfischereiverein Rothenburg) und als Weidefläche genutzt. Erst 1903 wurde er wieder geflutet und ist seitdem Lebensraum der Karpfen.

Die Erfolgsgeschichte des Frankens liebstem Fisch gibt es seit 2008 auch in einem eigenen Museum zu erleben, dem Aischgründer Karpfenmuseum in Neustadt a.d.Aisch. Der dortige Heimat- und Geschichtsverein hat im Alten Schloss dem Karpfen ein würdiges Denkmal gesetzt, das so manchen tollen Hecht (der es übrigens nie zum eigenen Museum gebracht hat) staunen lässt.

In zehn Räumen wird die 1250-jährige Tradition erzählt. Der Aischgrund, der ab Neustadt a.d. Aisch richtig startet, besitzt eine einzigartige Kulturlandschaft mit über 7 000 bewirtschafteten Teichen. Im Museum erfährt man alles Wissenswerte über die Aufzucht der Fische, sieht alte Gerätschaften und wird in die Lebenswelt der Teichwirtschaft eingeführt. Mit Filmen und digitalen Elementen ist das Museum interaktiv ausgestattet. Im Aischgrund wird vorwiegend der hochrückige Spiegelkarpfen gezüchtet, im Rothenburger Gebiet dagegen der fränkische Karpfen mit flacherem Rücken.

Forschung zum Karpfen
Selbst Kurioses rund um den Karpfen findet sich im Museum: Zu sehen ist das Feldlabor des Erlangener „Fisch-Professors“ Dr. Wilhelm Wunder, der mehr als 200 wissenschaftliche Arbeiten, vorwiegend zum Karpfen, veröffentlicht hat. Außerdem gibt es ein Collier aus Karpfensteinen zu sehen. „Der Karpfenstein ist die Kauplatte des Fisches“, erklärt Museumsführer Walter Tropper. Der polierte Karpfenstein macht sich nicht nur als Schmuck gut, sondern hat angeblich auch besondere Kräfte: Hat man einen Karpfenstein oder eine Karpfenschuppe im Portemonnaie, so sollen Geld und Glück nie ausgehen.

Das Museum, das Mittwoch, Freitag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet hat, zeigt an einer gedeckten Tafel auch, wie man einen gebackenen Karpfen auf dem Teller fachmännisch zerlegt. Das ist nicht ganz einfach, aber mit etwas Übung klappt es schon. Noch ist bis Ende April genügend Zeit, den Lieblingsfisch der Franken zu genießen. am