Der, der mit der Natur tanzt – Clemens Nähr ist Landschaftspfleger und Baumwart aus Leidenschaft Jan08


Der, der mit der Natur tanzt – Clemens Nähr ist Landschaftspfleger und Baumwart aus Leidenschaft

Es ist kurz vor acht Uhr am Morgen. Über Neusitz hängt noch der Nebel als Clemens Nähr schwungvoll die Türe zu seinem Zuhause öffnet und mich mit einem kräftigen Händedruck hereinbittet. Ein trainierter Körper gekleidet in T-Shirt und Arbeitshose setzt sich mir an einem reich gedeckten Frühstückstisch gegenüber. Selbstgemachte Marmelade, selbst-
gepresster Apfelsaft, regionale Produkte. „Ich versuche nach Gefühl zu leben“, sagt Nähr und schenkt sich seinen zweiten Kaffee ein. Er ist schon seit zwei Stunden wach. „Und das bedeutet für mich vor allem gesamtheitlich ökologisch zu leben“, fügt er an.
Und da zum Leben auch die Arbeit gehört verwundert es wenig, dass sich der 50-Jährige eine solche herausgesucht hat, die ihn jeden Tag aufs Neue raus in die Natur bringt, darüber hinaus „riesen Spaß“ macht und einen „ökologischen Sinn“ hat: Die Landschaftspflege und seit 2017 die als zertifizierter Baumwart. Zirka 180 davon gibt es mit einer so speziellen Ausbildung, wie sie Nähr an der Hochschule in Triesdorf genossen hat, in Deutschland. „Immer noch zu wenig“, findet er. Es gebe schließlich den „Pflegebedarf der letzten 30 bis 50 Jahre aufzuholen.“
Von langer Hand geplant sei davon nichts gewesen, erzählt der gebürtige Bad Windsheimer. Als gelernter Koch und Küchenmeister arbeitete sich Nähr zunächst durch rund 20 gastronomische Betriebe, lebte zwei Jahre in der Schweiz, war Küchenchef im Wirtshaus am Kommunbrauhaus im Fränkischen Freilandmuseum. „Ich wollte Sternekoch werden“, erinnert er sich.

Clemens Nähr scheut keine Herausforderungen in der Natur.

Gesundheit und Privates machten ihm einen Strich durch die Rechnung, er wurde zum Hausmann, legte daneben überall dort Hand an, wo seine handwerklichen Fähigkeiten gebraucht werden konnten und kam so auch immer öfter mit der Arbeit des Landschaftspflegers in Kontakt.
Es vergingen ein paar Jahre, ehe sich Nähr 2010 offiziell selbstständig machte. Er ist an der Natur und ihrer Pflege hängen geblieben. Vor allem dort, wo sonst kaum einer hin will. An den steilen Hängen der Frankenhöhe zum Beispiel. Insgesamt sechs Hektar Fläche hat er in der Gemarkung Neusitz Jahr für Jahr im Winter zu entbuschen und im Sommer nachzupflegen. Zunächst machte er alles per Hand, nach und nach kaufte er sich alte, aussortierte Maschinen aus der Schweiz und brachte sie neu in Schuss.
Als Baumwart hat er darüber hi-naus 1 300 (Obst-)Bäume zu pflegen. Ein ordentliches und „überdurchschnittliches Pensum“. Allein rund 700 sind es im Hochzeitswald Rothenburg. Im Juni durfte er sich dort mit seinem Handmäher durch eineinhalb Meter hohes Gras wühlen. Ende Dezember, im Winter also, beginnt er mit dem Schnitt der Bäume. Wo andere vielleicht entnervt aufgeben würden, fühlt sich Nähr wohler als irgendwo sonst. „Im Freien arbeiten und dann dieser wunderbare Blick auf die Rothenburger Altstadt, was will man mehr“, schwärmt er.
Die restlichen unter seiner Obhut stehenden Bäume – noch einmal 600 – wachsen in Neusitz und Umgebung. Weitere 400 warten dort noch auf ihn, so Nähr. Auch die Spezialbaumfällung und Altbaumsanierung gehören zu seinen Aufgaben. In der Hauptsache handelt es sich aber um Obstbäume, die er pflanzen – allein in diesem Jahr kamen 44 neu in die Erde – schneiden, pflegen und wenn möglich zum Vollertrag bringen muss.
Im Falle Clemens Nährs aber wohl eher darf. Seine Arbeit, sie ist für den Naturmenschen mehr innerstes Anliegen als Pflichtaufgabe. „Jedes Jahr geht der Obstbaumbestand in Bayern um 2,73 Prozent zurück“, erklärt er. Viele Bäume seien zu lange nicht richtig gepflegt worden, hinzu kämen Krankheiten und natürlich der Flächenfraß. Dabei sei jeder vitale Baum ein Sauerstoffproduzent, jedes Blatt zähle und jedes Obst halte uns gesund.
Wenn er Landschaft und Bäume gerade einmal nicht pflegt, dann fährt er mit dem Mountainbike durch sie hindurch. Ob Arbeit oder Hobby, Clemens Nähr ist Naturmensch durch und durch, braucht die Freiheit und manchmal auch das mit ihr einhergehende Abenteuer zum Leben.
Als ich mit abermals kräftigem Handschlag verabschiedet wieder fahre, fährt auch Clemens Nähr. Nach Triesdorf. Voller Vorfreude auf ein Pomologie-Seminar. Er will eine der Früchte, die auf seinen gepflanzten und gepflegten Bäumen wachsen, den Apfel, noch besser kennen lernen. Warum? „Einfach wieder so ein Gefühl.“

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Am 16. und 23. März bietet Clemens Nähr in Schweinsdorf (Altbestandsanierung) und in Neusitz (Obstbaumschnitt) wieder Kurse an. Info per Mail bei: clemens-naehr@t-online.de.