Den Umschwung gemeistert Mrz11


Den Umschwung gemeistert

Oberbürgermeister Walter Hartl. Foto: am

Am 30. April wird dieser Schreibtisch
leer sein, denn dann endet die Amtszeit von Oberbürgermeister Walter Hartl. Foto: am

Oberbürgermeister Walter Hartl verabschiedet sich nach 14 Jahren

Oberbürgermeister Walter Hartl führt seit 14 Jahren die Geschicke der Stadt Rothenburg. Wir treffen ihn im Januar zum Interview in seinem Büro im Rathaus: ein modernes Gemälde an der Wand, ein Schreibtisch voller Arbeit, dahinter der historische Erker. Fenster zu zwei Seiten. Walter Hartl hat das Zentrum der Stadt im Blick. Am 15. März sind OB-Wahlen. Walter Hartl tritt nicht mehr an. Der Wahlkampf läuft gerade auf Hochtouren, daher gibt es keine Fragen zu den Kandidaten.

Herr Hartl, Sie kandidierten 2006 parteiunabhängig für das Oberbürgermeisteramt. Damals waren sie Stadtoberverwaltungsrat in Heilbronn. Können Sie sich noch an den 12. März 2006 erinnern?
Ja, das war der erste Wahlabend und ich war positiv überrascht, dass ich mit neun Stimmen Vorsprung in die Stichwahl kam. Meine Mitbewerber waren ja der Meinung, ich würde ausscheiden.

Wie haben Sie die Stichwahl zwei Wochen später erlebt?
Daran kann ich mich noch gut erinnern. Der erste Wahlkreis der ausgezählt wurde, war Bettenfeld. Da gab es einen sehr großen schwarzen Balken für meinen Mitbewerber und einen kleinen roten Balken. Das waren die Stimmen für mich. Meine Frau meinte dann, es ist jetzt wohl besser wir gehen, und ich habe geantwortet, das schlimmste liegt hinter uns. Mit der Auszählung der anderen Wahlkreise haben sich die Verhältnisse dann verschoben.

Wie hat sich ihr Sieg angefühlt?
Das war erstmal ein sehr schönes Gefühl. Man hofft ja, dass man die Wahl gewinnt, sonst würde man sich ihr nicht stellen. Auf der anderen Seite braucht es etwas Zeit, bis man das Ganze realisiert. Die persönliche Freude kommt zeitversetzt.

Was hat sie damals motiviert zu kandidieren?
Wer sich für das Oberbürgermeisteramt interessiert, möchte sicher gestalten und hat gerne mit Menschen zu tun. Da ich gebürtig aus Wangen im Allgäu bin, auch eine historische Stadt, und ein Faible für denkmalgeschützte Altstädte habe, ist Rothenburg natürlich das i-Tüpfelchen.

Wenn Sie nach 14 Jahren im Amt Bilanz ziehen, was sehen Sie als ihre größten Erfolge an?
Ich glaube, ich kann zufrieden sein mit den Maßnahmen und Dingen, die ich umgesetzt habe. Ganz wichtig scheint mir, dass wir den Umschwung geschafft haben. Zu Beginn meiner Amtszeit, bis ins Jahr 2013, waren die Bevölkerungsprognosen negativ. 2011/12 stellte sich noch die Frage, wie lange braucht es, bis Rothenburg unter die 10 000 Einwohnergrenze abrutscht. Diesen Umschwung haben wir geschafft. Die Bevölkerungszahl wächst wieder, was deshalb sehr wichtig ist, da sich sonst die Frage stellen würde, welche Infrastruktur kann sich die Stadt leisten. Immer weniger Menschen müssten das dann bezahlen. Wir hatten eine sehr gute Infrastruktur und diese noch weiter auszubauen, scheint mir gelungen zu sein.

Oberbürgermeister Walter Hartl (mitte) mit seinen beiden Vertreten Kurt Förster (rechts) und Dieter Kölle (links) beim Neujahrsempfang im Rathaus. Foto: am

Oberbürgermeister Walter Hartl (mitte) mit seinen beiden Vertreten Kurt Förster (rechts) und Dieter Kölle (links) beim Neujahrsempfang im Rathaus. Foto: am

Können Sie da ein Beispiel geben?
Wir haben Bauplätze geschaffen. Das hat Zeit gebraucht, denn wir mussten Grundstücke ankaufen. Wir waren auf Zuzug von außen angewiesen und haben Rothenburg als interessanten Wohnort bekannt gemacht. Es ist uns gelungen den Wirtschaftsstandort zu stärken. Wir haben mit Abstand die meisten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Landkreis. Große Unternehmen konnten sich hier erweitern. Teknor Apex hat sich hier angesiedelt. Wir haben die Wirtschaftsmesse und Berufsinfotage eingeführt, den Bildungsstandort mit der Sekundarstufe Montessori Schule und dem Campus Rothenburg gestärkt. Auch der Tourismus hat zugelegt. Zu Beginn meiner Amtszeit hatten wir etwa 420 000 Übernachtungen, 2019 waren es 560 000. Das alles ist aber keine Einzelleistung, sondern gemeinsam mit dem Stadtrat gelungen. Verwaltung, Stadtrat und Wirtschaft sind eng verzahnt.

Gibt es auch etwas, das Sie noch gerne realisiert hätten?
Ja, das gibt es. Seit mehreren Jahren arbeite ich gemeinsam mit den Bürgermeistern im Umland an einem Rufbussystem. Das Landratsamt war bisher etwas zurückhaltend. Durch die Diskussion über den Klimawandel und die Stärkung des Nahverkehrs im ländlichen Raum bin ich aber zuversichtlich und hoffe, dass meine Nachfolgerin/mein Nachfolger in dem Punkt auch Erfolg hat.

Wie sieht die Arbeitsbelastung eines Oberbürgermeisters aus?
Wenn ich es kurz formulieren darf, es wird nicht langweilig und man hat wenig Zeit für Privates.

Wie viele Abendtermine haben Sie?
Teilweise bis zu fünf in der Woche. Ich versuche am Wochenende wenigstens einen Tag freizuhaben. Ich werde aber sehr gut von meinen Stellvertretern unterstützt.

Sie hätten noch einmal kandidieren können.
Ja. Die Altersgrenze für eine Kandidatur liegt bei 67 Jahren. Ich habe mich aber bewusst dagegen entschieden.

Was waren Ihre Beweggründe?
Da gab es verschiedene. Zum einen muss man aufpassen, dass man nicht in Routine verfällt. Aber der Hauptbeweggrund war, dass ich am Ende der Wahlperiode 69 Jahre alt gewesen wäre. Die Spanne, die einem dann noch bleibt, den dritten Lebensabschnitt gemeinsam mit der Ehefrau zu genießen, wird da immer geringer.

Hat Sie die Zeit als OB persönlich verändert?
Ich hoffe nicht. Mir wird zumindest von früheren Bekannten gesagt, ich hätte mich nicht verändert.

Sie sind also Ihren Prinzipien und Ihrer Lebenseinstellung immer treu geblieben?
Ich denke, ja. Dabei muss ich betonen, dass man das selber nicht neutral bewerten kann. Ich kann nur wiedergeben, was ich von Menschen höre, die mich aus der Zeit vor meinem Amt kennen. Da bekomme ich die Rückmeldung, dass ich nicht durch das Amt abgehoben hätte. Ich habe mich auch nie über meine Position definiert.

Was muss man als Mensch für Stärken haben, um das Amt des OBs zu meistern?
Da ist in erster Linie Gestaltungswillen wichtig. Man sollte gestalten wollen und nicht nur verwalten. Man muss Impulse setzen, braucht aber auch ein offenes Ohr. Viele kommen mit Ideen auf einen zu. Diese Chancen für die Stadt muss man erkennen und die Menschen ermutigen, sich einzubringen. Da denke ich an das Toppler-Theater oder die Grenzkunstleute. Hier muss man Chancen geben. So wie es mein Vorgänger mit dem Taubertal-Festival gemacht hat. Also die Dinge aufgreifen, das ist ein wichtiger Aspekt. Ebenso wichtig dürfte es sein, Kritik nicht zu persönlich zu nehmen. Denn Kritik bleibt auch nicht aus.

Wie sieht der Amtswechsel nach der Wahl am 15. März in der Praxis aus?
Das Ende meiner Amtszeit ist der 30. April. Dann gibt es aber keine Übergangsphase, also keine Einarbeitungszeit für die Nachfolgerin/den Nachfolger. Im Grunde endet es bei mir und dort geht es weiter. Es findet keine klassische Übergabe statt. Von Gesetzeswegen ist das nicht vorgesehen. Wobei ich natürlich gerne bereit bin meiner Nachfolgerin/meinem Nachfolger bei Fragen Auskunft zu geben.

Sie sind seit 2008 für die Freien Wähler Mitglied im Kreistag des Landkreises Ansbach. Kandidieren sie wieder?
Ich habe mich entschieden nicht mehr für den Kreistag zu kandidieren. Ich möchte mich aus der Kommunalpolitik zurückziehen. Meine Nachfolgerin/mein Nachfolger soll ihren/seinen eigenen Weg gehen. Stehen im Kreistag Entscheidungen an, die die Stadt betreffen, würde ich ja indirekt wieder auf die Stadtpolitik Einfluss nehmen. Das möchte ich nicht.

Und wie sieht es mit ihrem Vorsitz bei der Fränkischen Gesellschaft zur Förderung der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit (FGZ) aus?
Auch den werde ich niederlegen. Ich habe mich entschlossen, erstmal alles niederzulegen, was man im Rahmen des Amtes angetragen bekommt, um dann in Ruhe entscheiden zu können, wo ich mich zukünftig einbringen möchte.

Sie sind mit außergewöhnlichen Menschen zusammengetroffen. Ist Ihnen eine Begegnung besonders in Erinnerung geblieben?
Was mich fasziniert hat, waren die Kontakte mit Japan. Vor Beginn meiner Amtszeit wäre ich nie auf die Idee gekommen nach Japan zu reisen. Die Menschen habe ich als sehr herzlich erlebt. Ich erinnere mich an eine über 80-jährige Frau, die in den Bergen nahe der Partnerstadt Uchiko einen Bauernhof hat. Wenn wir dort auf Besuch waren, durften wir immer Nudeln machen. Das war faszinierend. Oder, wenn ich an den Präsidenten vom Tokioter Flughafen Haneda denke. Da ist eine Beziehung gewachsen.

Sie haben von Anfang an in der Altstadt gewohnt und haben heute selbst ein Haus in der Herrngasse. Warum innerhalb der Stadtmauer und nicht ein schicker Neubau am Rand?
Wenn man aus einer historischen Stadt kommt, will man auch hier mitten im Leben wohnen. Es ist toll, man kommt aus der Türe heraus und hat Menschen aus der ganzen Welt um sich. Und 300 Meter Luftlinie aus der Altstadt heraus beginnt die Natur. Ich möchte das Leben in der Altstadt nicht missen.

Werden Sie in Rothenburg bleiben?
Ja, das haben wir vor.

Ab Mai sind Sie in gewisser Weise ein ganz normaler Bürger. Werden Sie sich in Rothenburg engagieren? Anfragen gibt es bestimmt viele.
Momentan habe ich da eher eine Abwehrhaltung (lacht). Ich werde ein halbes Jahr in Ruhe überlegen, wo ich mich einbringen möchte. Man muss was tun, damit man
auch geistig fit bleibt. Es wird aber sicher nicht im kommunalpolitischen Bereich sein. Und ich möchte wieder etwas mehr Sport treiben.

Was machen Sie an ihrem ersten freien Tag?
Da werde ich wahrscheinlich Gäste betreuen. Das ist der 1. Mai. Meine Familie wird zur Verabschiedung kommen. Auch der Kollege aus Uchiko hat sich schon angemeldet und ist am 1. Mai dann noch hier.

Haben Sie noch einen Rat für ihre Nachfolgerin/ihren Nachfolger?
Ich möchte mich mit Ratschlägen zurückhalten, denn jeder muss seinen eigenen Weg gehen. Das einzige, was ich erwähnen möchte ist, dass meine Nachfolgerin/mein Nachfolger auf eine gute Verwaltung aufbauen kann. Diese Chance sollte genutzt werden.
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