Alte Schule Nov07


Alte Schule

Glaskunst von Harald Stephan

Wunderschön fallen Lichtstrahlen in alte Kirchenfenster und lassen den Besucher zur Ruhe kommen. Rothenburgs historische Gotteshäuser mit seinen romantischen Gebäuden und kleinen Gassen, lassen das Herz von Millionen Touristen jährlich höher schlagen. Dass auch die alten Kirchenfenster im neuen Glanz erscheinen, ist dem versierten Handwerker Harald Stephan zu verdanken. Über 20 Jahre hat sich der Glaskunstfachmann der Restaurierung historischer Kirchenfenster in Rothenburgs Kirchen gewidmet. Zu seinen größten Objekten zählen wohl die 300 Jahre alten Fenster der Franziskanerkirche.

ROTOUR Rothenburg: Glaskunstfachmann Harald Stephans Kirchenglasfenster in Norwegen

Das hohe Kirchenglasfenster in der norwegischen Lichtkapelle. Foto: Privat

Frisch gebackener Meister
„Als ich meine Meisterprüfung am 1. Oktober 1982 in den Glasfachschulen Regensburg und letztendlich in Zwiesel absolviert hatte, saß ich um Punkt 12 Uhr in meinem Auto und hörte im Radio, dass Helmut Kohl Bundeskanzler geworden war“, erinnert sich der heutige Rentner. Schon in seiner Lehrzeit hatte er mit dem südlichen Rosettenfenster im Freiburger Münster zu tun. Seither gilt seine Leidenschaft der sakralen Kunst. Er verwendet ausschließlich mundgeblasenes Glas, das heutzutage kaum noch aufzutreiben ist.
Der Topf fand schließlich schnell seinen Deckel. Gemeinsam mit seiner künftigen Frau Dagmar, die sich als Optikerin bestens im Glasschliff auskannte, eröffnete er 1986 ein Glaskunstatelier mit einem Geschäft in der Rothenburger Herrngasse.

Gemeinsam der Kunst gewidmet
So gestalteten die beiden beispielsweise wunderschöne Weihnachtssterne für das Fenster mit Prismen als Zentrum, die das einfallende Licht in strahlenden Farben erscheinen lassen. Bleiampeln, das sind Lampen aus historischem Glas, fertigt der Glasliebhaber heute noch an und erfreut damit Freunde und Bekannte gleichermaßen.
Sogenannte Presslinge, die zwischen 1890 und 1920 hergestellt wurden, fand er in einem antiken Laden, dessen Besitzer die kugelförmigen Glaselemente für ein paar D-Mark hergab. Sie zieren heute die Mitte verschiedener Elemente der Bleiampeln und Weihnachtssterne.„Du musst immer ganz besondere Glaskunst herstellen“, gab ihm Victor Mendel, bei dem Stephan während seiner Ausbildung sehr viele handwerkliche Tricks gelernt hatte, mit auf seinen Weg. Das ist bis heute sein berufliches Motto geblieben.
Das kleine Atelier in der Herrngasse wurde zum Treffpunkt vieler bekannter Namen. Der argentinische Jesuit, Jorge Mario Bergoglio und künftige Papst Franziskus, der 1986 in Rothenburg weilte, um im damaligen Goethe-Institut Deutsch zu lernen, war ein häufiger und gern gesehener Gast. „Der heutige Papst Franziskus ist ein sehr bescheidener und angenehmer Zeitgenosse“, erzählt der Kirchenfenster Restaurator. Der Dichter Hans Sachs, Der deutsche Politiker Lauritz Lauritzen, Hannelore Kohl und viele mehr, ließen bei ihrem Rothenburg Bummel die kleine Glaskunstwerkstatt nie aus.

ROTOUR Rothenburg: Harald Stephan mit Bleiampel

Bleiampel mit alten Presslingen. Foto: ul

Das größte Kirchenfenster
Durch seine Werke und mittlerweile weitverbreiteten Namen als Glaskünstler und Restaurator bekam er 1989 einen Anruf von Bischof Erik Rostböll aus Norwegen. Dessen Frau Kirsten hatte eine hölzerne Kirche entworfen, die es nun mit einem 3,60 Meter hohen Ovalfenster zu verzieren galt. Harald Stephan war also mit seinem handwerklichen Geschick bis in den hohen Norden bekannt geworden.
„Die Lichtkapelle in Beitostølen ist ein einzigartiger Raum voll goldener Symbolik mit einem prachtvollen Glasmosaik, entworfen von Ferdinand Finne und angefertigt von Harald Stephan. Die ökumenische Kapelle ist für die drei großen christlichen Glaubensrichtungen: die evangelische, die römisch-katholische und die orthodoxe“, heißt es in der norwegischen Webseite „Norway powered by Nature“.
Ein halbes Jahr gestalteten, schliffen und rahmten Dagmar und Harald das Kirchenfenster nach dem vorliegenden Entwurf.
„Wir legten das geteilte Fenster Schicht für Schicht mit starker luftgepolsterter Pappe in unser Auto und fuhren es eigens an seinen Bestimmungsort, um es in Beitostølen einzubauen.
„Das fertig eingebaute Fenster, mit Symbolen von Vater, Sohn und dem Heiligen Geist, war unglaublich anzuschauen“, erinnern sich die Beiden heute noch gerne zurück.
Ein persönliches Dankesschreiben des norwegischen Bischofspaares ist heute Teil der vielen Zeugnisse aller bisherigen Werke bis über deutsche Grenzen hinaus. Das war noch lange nicht alles, denn im Jahr 1998 kam der Auftrag für drei Fenster nach dem Entwurf der Künstlerin Maria Matzbacher für eine Klosterkapelle in Wien zu fertigen. Die 80 mal 160 Zentimeter großen Fenster zu den Themen „Eucharistie“, „Maria und Josef“ und „Heiliger Geist“ wurden durch die Hand Stephans aus 220 einzelnen, leuchtenden Farbgläsern zusammengefügt.
Eine fünf Millimeter dünne Bleiverglasung hält die ebenso feinen, mundgeblasenen Gläser zusammen. Rund einhundert Stunden Arbeitszeit stecken in drei relativ kleinen Werken wie diesen. Wie viel länger hat wohl die Anfertigung des norwegischen Kirchenfensters der Lichtkapelle in Beitostølen gebraucht?
Eines der letzten großen Projekte waren die antiken Fenster des Theatersaales im Wildbad. Unvorstellbar ist die Tatsache, dass Schießübungen der ehemaligen Polizeischule Rothenburg in solch wertvollen Räumlichkeiten stattgefunden haben und dabei die vielen alten Fenster zerstört wurden.
Lange suchte der Glasermeister nach altem Eisblumenglas, um die Fenster wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen.
Fündig wurde Harald Stephan schließlich bei einem 90-jährigen Fenstermacher aus Nürnberg. Bei der Herstellung des Eisblumenglases wird aus gekochten Knochen ein Leim hergestellt, der auf die Glasoberfläche aufgetragen wird. Nach dem Trocken wird der Leim mit einem Spachtel abgenommen und dabei entsteht die Eisblumenoptik. Heute ist der Theatersaal im Wildbad wieder mit originalgetreu hergestellten Fenstern bestückt.

Neue Perspektive
Ein Unfall und eine schwere Erkrankung zwangen den Künstler das Glasatelier im Jahr 2007 zu schließen. Aber Harald Stephan und seine Frau sind nicht unterzukriegen. Nach einer langwierigen Genesungsphase, geht Stephan wieder der 900 Jahre alten Glaskunst nach. „Im Mai 2019 fragte ein guter Freund, ob ich mir vorstellen könne, für die Schreinerei Weinhardt die Fenster im alten Rothenburger Rathausturm zu restaurieren“, erzählt Stephan. So kam es, dass der Glaskünstler wieder zu seiner Bestimmung zurückfand. „Ich war so froh, ich habe noch mein gesamtes Handwerkszeug.
Zusammen mit Markus Pleil, ein Profi im Schreinerhandwerk und ein so lieber Mensch, restaurierte ich die neun alten Rathausfenster mit 36 Flügeln“, so Stephan freudig.
Mit neuem Mut und viel Elan ist er gerade dabei, wieder eine kleine Werkstatt in den ehemaligen Räumen der Schreinerei Weinhardt in Gebsattel aufzubauen. Für Anfragen nach Fensterrestaurationsarbeiten sowie alter Glaskunst wird es in Zukunft wieder eine neue Adresse geben.
Trotz seines Rentnerdaseins geht er voraussichtlich Anfang 2020 unter der Obhut von Uwe Weinhardt wieder ans Werk. Wer alte, mundgeblasene Glasbestände verschiedenster Facetten hat, findet Harald Stephan in Rothenburg als dankbaren Abnehmer.
ul